Montag, 23. November 2020

[Schnipseltime] Eiskalte Liebe von Lisa Lamp



Es wurde noch schlimmer, als ich befürchtet hatte. Zeit verlor jede Bedeutung für mich. Minuten, Stunden, Tage konnten vergehen, ohne dass ich es mitbekam. Es gab nur noch mich, die alles verschlingende Trauer, die mich in der Dunkelheit gefangen hielt und die kurzen Lichtblicke, in denen ich an meine Schwester dachte. Und Ferres war absolut nicht hilfreich. Sein ständiges Gelächter und seine blöden Witze brachten mich im Minutentakt dazu, die Augen zu verdrehen und mehr als einmal wollte ich umdrehen, um den Heimweg anzutreten. Einzig und allein der Gedanke an Lils strahlendes Lächeln und ihr Gesang am Morgen, den ich mir ins Gedächtnis rief, ließen mich weitergehen. Es war die Hölle, wobei ich nicht erwartet hätte, dass es beim Teufel so schön aussehen würde. Ich konnte vom Weg aus die Berge sehen, die wie von Puderzucker bedeckt waren. Sie waren mit weißem Neuschnee verhangen und die Sonnenstrahlen ließen die Flocken glitzern wie rohe Diamanten. Die Schatten der einzelnen Bäume spiegelten sich auf dem Boden und tauchten unsere Fußspuren in ein sanftes Grau. Eiskristalle fielen vom wolkenbehangenen Himmel und rieselten auf meine weißen Haare, sodass sie nicht mehr zu sehen waren. Anders bei Ferres, wo die Flocken sich von seinen dunklen Strähnen abhoben.

»Vampirella, tut es eigentlich weh, wenn du deine Zähne in das weiche Fleisch deiner Opfer rammst?«, sagte Nikolai nachdenklich, obwohl er schon auf die letzten sieben Fragen keine Antwort bekommen hatte.

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