Donnerstag, 24. Dezember 2020

Schnipseltime] Fesselnde Weihnachten von June Morgan

 



Der Wind blies Marco kalt ins Gesicht. Die Chancen auf weiße Weihnachten standen in diesem Jahr verdammt gut. Nur interessierte ihn das so gar nicht. Die Vorweihnachtszeit bedeutete schlicht viele Einnahmen im Kino und furchtbar viele Schnulzen, die er zeigen musste.

Er hatte Weihnachten vor langer Zeit aufgegeben. Es juckte ihn nicht mehr.

Die neuen Plakate für die Weihnachtsfilme waren schnell in die Schaukästen gehängt und er beeilte sich zu seinem Wagen zu kommen. Er hatte noch etwas mehr als drei Stunden, bis die erste Vorstellung anlief. Da konnte er locker rüber nach Concord fahren, die Ersatzteile für die alte Popcornmaschine und seinen Lieblingscappuccino holen.

Hier in Frost Creek gab es keinen gut sortierten Eisenwarenladen. Diese Stadt war klein, beschaulich und wie aus einem amerikanischen Bilderbuch. Man bekam, was man zum Leben brauchte. Nur eben genau diese Ersatzteile nicht.

Am Vormittag war auf den Straßen nur wenig los.

Marco lenkte seinen Ford Raptor bis zum Parkplatz vor Mikes Eisenwarenladen.

Beim Aussteigen schlug er den Kragen seiner Jacke hoch. Scheiße war das kalt.

Mit wenigen Schritten stand er vor dem Geschäft. Die alte Glocke über der Tür kündigte ihn beim Eintreten an. Hinter dem Tresen stand ein älterer Herr mit grauem Vollbart und Glatze. Er lächelte, als er Marco sah.

„Guten Morgen! Du warst ja lange nicht hier. Wie geht es dir?“, fragte er gut gelaunt.

„Hallo Mike. Mir geht es gut. Nur meiner alten Popcornmaschine mal wieder nicht.“

Mike grinste: „Du wirst das Ding auch die nächsten zwanzig Jahre noch reparieren, oder? Wieder der Schlauch?“

Marco lachte. „Ja, ich werde sie so lange wie möglich erhalten. Ich mag den alten Popcorn Card. Der Schlauch und die Aufhängung vom Topf sind hin.“

Mike nickte nur und verschwand hinten im Lager. Schnell kam er zurück und schüttelte den Kopf.

„Sorry, ich habe nichts mehr für dieses Exemplar da. Ich bestelle es und dann sollte es morgen oder übermorgen da sein.“

Marco nickte und verabschiedete sich. Auf dem Bürgersteig schlug er den Weg Richtung Norden ein. Das Café lag nur ein paar hundert Meter die Straße runter. Er freute sich schon auf seinen Cappuccino.

Die Geschäfte an denen er vorbei ging, waren alle weihnachtlich dekoriert, überall winkte ihm Santa entgegen, die Zuckerstangen hingen wie Vorhänge in den Schaufenstern und die meisten Menschen, denen er begegnete, trugen Weihnachtsmützen.

Er schüttelte sich innerlich. Das war ihm alles viel zu kitschig.

Schon von draußen sah er die vielen Menschen im Café. Er würde sich sein Getränk also lieber mitnehmen. Er schlängelte sich durch die Leute und orderte seinen Schokocappuccino to go. Beim Rausgehen hielt ihn plötzlich jemand an der Schulter fest. Er drehte sich um und sah in das Gesicht seines Bruders.

„Daniel! Was treibst du denn um diese Zeit hier?“, fragte er überrascht.

„Oh, wir haben Mittagspause bei einer Schulung“, antwortete dieser und zeigte auf die Frau neben ihm, was auch nötig war bei diesem Gedränge.

Sein Bruder stellte sie als Amelia vor und setzte zu einem seiner langatmigen Monologe an.

Marco musterte Daniels Begleitung. Sie passte nicht in das typische Beuteschema seines Bruders. Normalerweise stand Daniel auf blonde Hungerhaken. Amelia hatte dunkelbraune, mittellange Haare, üppige Rundungen und strahlende Augen. Die schwarze Jeans betonte ihre Hüften, die Bluse war langweilig und der Blazer schien irgendwie auch nicht richtig zu sitzen. Wollte sie sich etwa verstecken? Warum saßen diese Klamotten so schlecht? Doch dann fiel ihm die Kette auf. Eine Triskele.

Konnte das sein? Die drei miteinander verbundenen Spiralen aus feinem Silber würde er überall erkennen.

Amelia schien seinen Blick zu bemerken, jedenfalls umfasste sie etwas nervös den Anhänger.

„Also, wir müssen dann auch wieder los“, beendete Daniel seinen Redeschwall, was Marco gerade so noch mitbekam.

Er nickte nur und ging mit den beiden aus dem Café, wo sie sich voneinander verabschiedeten.

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