»Wir müssen reden.« Mit ernster Miene stellte Alessia eine Tasse Kaffee vor mir auf dem Schreibtisch ab. Dampfend und mit hellem Schaum, unter dem ein sattes Dunkelbraun hervorblitzte.
Das Aroma frisch gemahlener Bohnen zog mir in die Nase. Normalerweise hätte mich allein dieser Duft gleich wieder mit der Welt versöhnt. Aber heute spürte ich deutlich die Wut, die Alessia ausstrahlte. Anscheinend nahm sie mir unseren kleinen Disput von vorhin immer noch übel.
»Hast du einen Moment für mich?«, fragte sie.
»Setz dich.« Ich deutete auf den Besucherstuhl vor meinem Schreibtisch.
»Danke.« Elegant nahm Alessia auf der Stuhlkante Platz. Ihre Stirn war leicht gerunzelt, die Lippen presste sie zusammen. Hatte sie etwa ihr Geschenk im Papierkorb entdeckt?
Möglichst unauffällig schlang ich das linke Bein um den Papierkorb und zog ihn ein Stück nach hinten. Wenn ich nun meine Beine richtig platzierte, versperrte ich ihr hoffentlich die Sicht auf den Inhalt.
Alessia straffte die Schultern. »Ich habe darüber nachgedacht, was vorhin passiert ist.«
»Und?« Ich nippte an meinem Kaffee. Er war heiß und würzig, so wie ich ihn liebte. Schaum kitzelte mich an der Oberlippe. Der herbe Duft versetzte mich zurück in meine Kindheit, als Mom jeden Morgen das Frühstück für uns zubereitet hatte. Nicht, dass ich jetzt noch mit ihr frühstücken wollte. Diese Zeiten waren endgültig vorbei.
»Weihnachten ist ein heikles Thema für dich und ich bin vorhin zu weit gegangen.«
Ich winkte ab. »Entschuldigung akzeptiert.«
»Aber das bist du auch.« Sie reckte das Kinn und sah mir direkt in die Augen. »Ich kündige.«
So oft hatte ich diese Worte schon gehört, aber zum ersten Mal ergaben sie keinen Sinn. Schließlich hatte ich Alessia nie beleidigt oder angebrüllt wie ihre Vorgängerinnen. »Das akzeptiere ich nicht.« Ich trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte herum. »Du hast überhaupt keinen Grund zu kündigen.«
Leicht schüttelte sie den Kopf. »Ich habe mir schon gedacht, dass du so reagierst. Aber ich brauche deine Erlaubnis nicht, um zu gehen.«
»Selbstverständlich brauchst du die. Ich bin dein Chef.« Normalerweise hätte ich an dieser Stelle provokant meine Füße auf den Tisch gelegt. Nur, weil ich es konnte. Doch bei Alessia würde ich damit keine Pluspunkte ernten. »Der kleine Streit vorhin kann doch nicht der wahre Grund sein.«
»Nicht der Streit an sich. Aber das, wofür er steht. Ich muss meine Gefühle schützen.«
Was sie sagte, hörte sich absurd an. Alessia gehörte schließlich nicht zu diesen zarten Pflänzchen, die beim ersten harschen Wort gleich in Tränen ausbrachen. »Das ist doch der größte Unsinn überhaupt! Wenn du willst, dass ich dich ernst nehme, sag mir die Wahrheit. Warum willst du wirklich kündigen?«
Sie wippte mit dem Fuß. Ihre Stilettos hatten halsbrecherisch hohe Absätze, was mir bisher noch nie aufgefallen war. Wie konnte sie nur mit diesen Dingern laufen, ohne meinen Kaffee zu verschütten?
»Weil du ein ich-bezogener unsensibler Klotz bist, der nicht merkt, was er an mir hat. Vielleicht musst du mich dafür erst verlieren.«
»Unsinn!« Ich beugte mich über den Schreibtisch und schob die Keksdose in Alessias Richtung, obwohl ich Kendras Plätzchen sonst mit niemandem teilte. »Ich weiß genau, was du wert bist. Reden wir also über eine Gehaltserhöhung.« Nach drei Monaten war es dafür ein wenig früh. Doch den besten Kaffee, den ich je bekommen hatte, würde ich nicht kampflos aufgeben.
»Mir geht es nicht ums Geld.« Ernst sah sie mich an. »Sondern um meine Selbstachtung. Und vor allem um mein Herz.«
»Dein Herz?« Alessia musste den Verstand verloren haben. »Daran bin ich nicht interessiert. Keine Sorge! Ich möchte einfach nur, dass du für mich arbeitest.«
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