Sonntag, 6. Dezember 2020

[killige & ungemütliche Weihnacht] Bierdeckelgeschichte von Mari März

Nervus maxillaris 
MARI MÄRZ 

Er ist ein Sadist. Muss es sein.

Seit Stunden liege ich hilflos unter ihm, seinem Schaffen ohnmächtig ausgeliefert.

Er hat mich betäubt. Ob das gut ist? Die Schmerzen wären ein Garant, dass ich noch lebe.

Bin ich etwa eine Masochistin?

Trotz der Anästhesie spüre ich, wie er das Fleisch beiseiteschiebt. Meine Schleimhaut wird penetriert von diversen Gerätschaften, die ich nicht sehen kann. Seine Hände arbeiten routiniert. Er muss ein Sadist sein. Anders ist es wohl kaum zu erklären, weshalb er schier endlos und mit der Vehemenz eines Pedanten den Exkavator schwingt.

Ich lausche dem widerlichen Geräusch, das in mich dringt wie ein aggressiver Liebhaber.

Es hat etwas Sinnliches. Grotesk, nicht wahr?

Und dann ist es vorbei. Er kann nur ein Sadist sein. Warum sonst lässt er mich plötzlich allein, gerade als ich beginne, meinem Schicksal etwas Positives abzugewinnen?

Aber kurz vor Weihnachten werde ich ihn wieder besuchen, meinen Zahnarzt.

Offenbar bin ich tatsächlich eine Masochistin.



1 Kommentar:

  1. Hallo Claudia,
    das ist ja mal eine gruselige Geschichte (!) :o) So kurz und durch das Ende so genial. Vielen Dank, dass du sie hier geteilt hast.
    Ich wünsche dir einen schönen 2. Advent und einen ganz wundervollen Nikolaus.

    Liebe Grüße
    Tanja

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