Das Fest war in vollem Gang. Es war früher Abend. Trotz der Eiseskälte amüsierten sich offenbar alle bestens. Das Ambiente war unglaublich. Der riesige Hof glich einem Wintermärchen. Es lagen etwa acht Zentimeter Schnee. Die Bäume trugen ein weißes Winterkleid, manche wurden von verschiedenfarbigen Lichtern angestrahlt, andere zierten Lichterketten mit warmen, gelbgoldenen Birnchen. In der Mitte des Hofs war eine Schneebar aufgebaut worden, über deren Theke nun jede Menge Sekt, Cocktails und natürlich auch Glühwein sowie Grog gereicht wurde. Ein Stück weiter befand sich ein gigantisches Buffet mit einer Auswahl an teuren Speisen. Eine unzählige Menge an Stehtischen mit edlen, roten Spanntischtüchern verliehen einen anmutigen Kontrast zur weißen Winterlandschaft. Überall standen in einigen Abständen verteilt kleine Feuerkübel und Heizpilze. Der Weg zur Einfahrt wurde mit Fackeln gesäumt. Doch die Krönung dieses wundervollen Flairs bestand unbestreitbar aus den drei verschiedenen, etwa ein Meter fünfzig großen Eisskulpturen. Sie stellten einen Engel, einen Löwen und natürlich einen Schneemann dar. Die Sterne funkelten in dem graublauen klaren Himmel, und aus den sechs Lautsprechern war gerade in gedämpfter Lautstärke Frank Sinatra zu hören, der White Christmas sang. Die Leute lachten, redeten und wiegten sich zur Musik.
All das interessierte die zwei Männer jedoch nicht im Geringsten. Das hieß, jedenfalls nur insoweit, um nicht aufzufallen. Sie gingen davon aus, dass keiner der Anwesenden ihnen Beachtung schenkte. Schließlich wuselte hier einiges an Personal herum. Wer sollte also bemerken, ob sich zwei mehr oder weniger an diesem Ort herumtrieben? Genau wie die Kellner trugen die beiden Männer einen schwarzen Anzug. Doch sie hatten andere Ziele, als den verwöhnten Reichen Drinks zu servieren. Ein letzter Blick über die Schulter, dann verschwanden sie im Inneren der Villa.
Eine knappe Stunde später standen sie wieder draußen in der Kälte. Das, was sie suchten, hatten sie nicht gefunden. Missmutig kratzte sich einer am Hinterkopf, während der andere sich eine Zigarette anzündete und das immer noch lustige Treiben vor sich aus einem sicheren Abstand heraus beobachtete.
»So ein Mist!«, zischte er.
»Und wenn sie doch im Safe sind?«, fragte sein Partner.
»Damit Papi sie findet und fragt, was das ist?« Er schüttelte den Kopf, ließ die Zigarette fallen und trat sie aus. »So blöd war er nicht.«
»Aber wo sollen wir dann noch suchen?«
Der Erste schob den Unterkiefer vor und rieb sich übers Kinn, als in seinem Blickfeld eine Frau auftauchte. Sie hatte die braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und trug eine grüne Kellnerschürze um die Taille.
»Da. Ist das nicht die trauernde Witwe?« Er deutete vage in die Richtung der jungen Frau.
Sein Kumpan kniff die Augen zusammen und suchte den angedeuteten Radius ab.
»Die Kellnerin, Mann«, schnaufte ungeduldig sein Kollege.
»Schon möglich. Und?«
»Wo geht die denn hin?«
Die beiden Männer schauten ihr nach und beobachteten, wie die Frau an den Fackeln vorbei die Einfahrt entlanghuschte.
»Komm, das schauen wir uns näher an. Vielleicht haben wir einfach am falschen Ort gesucht.«
Kati hatte das Gefühl, als würden ihre Füße nur noch aus zwei Eisklötzen bestehen. Wenn sie sich nicht schleunigst ein paar weitere Socken anzog, könnte sie sich bald als vierte Eisskulptur in der Menge platzieren. Eilig lief sie zu ihrer kleinen Wohnung, die gleich neben der Straße am Eingang zur Auffahrt der Villa lag. Dass ihr zwei Gestalten in einigem Abstand folgten, bemerkte sie nicht.
Bereits am früheren Abend waren Richard die beiden Männer aufgefallen. Anfangs dachte er, sie würden zur Crew des Partyservice oder aber mit zu dem Team des Lieferanten der Eisskulpturen gehören. Wobei, für die Anlieferung der Skulpturen benötigte man nicht zwingend einen Anzug. Zumal der Kühlwagen minus zwanzig oder gar minus dreißig Grad kalt sein mochte. Doch aufgrund des regen Betriebs der Party hatte er sich wieder seinen Aufgaben gewidmet, ohne sich weiter Gedanken zu machen.
Richard war ein ausgebildeter Butler und stand schon sein ganzes Leben lang im Dienst der Familie Blum. Inzwischen war das Rentenalter fast erreicht. Aber ob er wirklich seinen Job an den Nagel hängen würde? Trotz seiner Herz-Kreislauf-Probleme konnte er sich ein anderes Leben überhaupt nicht vorstellen. Er war hier quasi der heimliche Hausherr, Hausmeister und Butler in einem. Alle anfallenden Aufgaben, was das Haus und Anwesen der Blums betraf, erledigte er. Und solange seine Frau, die bei den Blums ebenfalls arbeitete – sie war die Herrin der Küche und der Wäsche –, nichts einzuwenden hatte, würde er wohl seine Rentnerzeit nach hinten verschieben.
Heute war die alljährliche Weihnachtsfeier der Blums. Wie immer ein Event der Superlative. Als alteingesessene Juweliersfamilie genossen sie größtes Ansehen in Bayreuth und verfügten über jede Menge Geld. Jedes Jahr kurz vor Weihnachten gaben sie eine Party für Freunde, Geschäftspartner und die Oberen der Stadt. Alles, was Rang und Namen hatte, wurde eingeladen. Und er, Richard, war für die Organisation dessen verantwortlich. Es geschah nichts, was er nicht in Auftrag gegeben und in Augenschein genommen hatte.
Die beiden Männer jedoch waren ihm gänzlich unbekannt. Auch auf Nachfrage beim Personal des engagierten Partyservice konnte ihm niemand eine Angabe zu den beiden machen. Nun fiel sein Blick zufällig wieder auf sie. Sie standen zwischen der Villa und dem Tiefkühlwagen, in dem die Eisskulpturen geliefert wurden. Dann setzten sie sich langsam in Bewegung. Zeit, die zwei einmal zu fragen, welche Aufgabe sie hier heute Abend eigentlich hatten. Kräftigen Schrittes lief er geradewegs auf sie zu.
»Entschuldigen Sie«, sagte Richard in seiner angenehmen tiefen Stimme, »können Sie sich ausweisen? Ich bin hier der Verantwortliche und kann Sie beide leider keiner konkreten Aufgabe auf diesem Fest zuordnen.«
Die zwei Männer blieben abrupt stehen und sahen einander verwirrt an. Nicht nur, dass sie nicht damit gerechnet hatten, überhaupt jemandem aufzufallen, auch würden sie nun noch die Kleine aus den Augen verlieren, wenn sie jetzt in eine Diskussion verwickelt werden würden. Unnötig zu erwähnen, dass es eigentlich keinen tatsächlichen Grund gab, um hier zu sein. Während dem einen noch die Worte fehlten und ihm am Gesicht abzulesen war, dass er sich ertappt fühlte, begann der andere, freundlich zu lächeln.
»Ah, Sie sind Herr …« Natürlich hatte er keine Ahnung, wer da vor ihm stand. Doch er hoffte, mit dieser wissenden Andeutung könnte er sowohl den Namen des Störenfrieds erfahren als auch Zeit gewinnen.
»Schwenk. Richard Schwenk.«
»Genau.« Er deutete lachend mit dem Zeigefinger in die Luft, als wäre ihm der Name, nun, da er ihn hörte, wieder eingefallen. Dann nahm er ihn sanft am Ellenbogen und schob ihn ein paar Meter weiter, während er einfach unverbindlich weiterredete.
»Herr Schwenk. Wir haben uns noch gar nicht persönlich vorgestellt.« Inzwischen standen sie direkt vor dem Kühlwagen.
»Ich bin Herr Meier, und das ist Herr Müller.« Er deutete zu seinem Kompagnon.
Richard schaute misstrauisch von einem zum anderen. Sein Blick verharrte noch auf Müllers Gesicht, das sichtlich blass geworden war, als ihn plötzlich eine prankenhafte Hand von hinten packte und ihm den Mund zuhielt, während die andere Hand seinen Oberkörper umschlang.
»Los, mach das Ding da auf«, zischte Müller Meier zu. Oder war es umgekehrt?
Der machte große Augen.
»Wird’s bald? Worauf wartest du?«
Und ehe Richard sich versah, wurde die Tür zum Kühlwagen aufgerissen und er ohne weitere Vorwarnung hineingestoßen. Bis er sich bewusst wurde, was gerade geschah, war die Tür bereits verschlossen, und Dunkelheit und eisige Kälte umgaben ihn.
»Spinnst du?«, hörte Richard den einen noch fragen. Dann wurde es still.
Gute zwei Stunden später hatten Meier und Müller Katis Wohnung durchsucht. Ebenfalls ergebnislos.
»Und was machen wir jetzt? Ob den Schwenk schon jemand gefunden hat? Vielleicht werden wir bereits gesucht!«
»Mann. Mach dir nicht ins Hemd. Wir schauen mal nach.«
Vorsichtig lugte er die Einfahrt entlang. Die Fackeln flackerten. Einige Gäste fuhren bereits nach Hause, aber die Party war immer noch im Gang. Nichts deutete auf einen Aufruhr hin. Doch die tröpfchenweisen Grüppchen, die wiederholt an Katis Häuschen vorbeikamen, ließen die beiden noch ausharren.
Als sie etliche Zeit später die Tür zum Kühlwagen öffneten, stand Richard direkt vor ihnen. Steif gefroren. Müller schluckte schwer. »Wir können ihn nicht hier stehen lassen.«
😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱
Auszug 2 - KATI BLUM ermittelt „Ohne Wenn und Aber“
Bäriger Besuch 😉
»Pizzaservice«, hörte ich dumpf von draußen rufen.
»Du hast mir überhaupt nicht gesagt, dass du Pizza bestellt hast«, rief ich Nina über die Schulter hinweg zu, während ich schon die Hand an der Klinke hatte.
»Ich hab‹ auch keine bestellt«, meinte Nina, aber ich hatte bereits die Tür geöffnet. Perplex starrte ich auf den Bären, der mit einem Pizzakarton in der linken Pfote vor mir stand.
»Äh.« Mir klappte der Unterkiefer ungläubig herunter. Der Bär und ich schauten uns für einige Sekunden in die Augen. Er war groß, rundlich und hatte ein braunes Fell mit einer niedlichen schwarzen Bärennase. Wäre er mir in einem Freizeitpark über den Weg gelaufen, hätte ich mich bestimmt mit ihm fotografieren lassen. Aber hier vor meiner Tür, mit einem Pizzakarton in der Hand, wusste ich nicht recht, was ich davon halten sollte. Waren wir hier bei der versteckten Kamera? Oder wollte mir jemand einen Streich spielen?
Er trat einen Schritt auf mich zu – und ich, von der wuchtigen Gestalt beeindruckt, automatisch einen Schritt zurück. Erst jetzt bemerkte ich, dass noch ein weiterer, kleinerer Bär hinter dem Braunbären stand. Im Gegensatz zu meinem direkten Gegenüber wirkte dieser schmal und unscheinbar, dafür trug er eine Sonnenbrille. Verwirrt zog ich die Stirn in Falten.
»Was ist? Ich hab‹ keine Pizza bestellt. Vielleicht hat er sich in der Tür geirrt«, plapperte Nina und kam hörbar näher. Da von meinem kleinen Wohnzimmer aus die Wohnungstür nicht zu sehen war, bemerkte sie erst jetzt die sonderlichen Pizzaboten und begann sofort, zu kichern.
»Na, das ist ja mal ein Pizza-Lieferdienst«, meinte sie, anscheinend nicht halb so überrascht wie ich. »Von welchem kommen Sie denn? Von ›Pizza für den bärenstarken Hunger‹?« Sie kringelte sich fast vor Lachen und steckte mich damit an.
»Und wie süß Sie sind! Ist das ein neuer Werbegag? Ich hab‹ bisher noch nichts davon gehört. Toll! Können Sie auch singen und tanzen?« Dann entdeckte sie den kleineren Bären. »Und die Sonnenbrille!«, quietschte sie, während sie sich lachend auf die Oberschenkel schlug.
»Na ja, bei der Kälte draußen ist es in dem Kostüm auf dem Fahrrad oder Motorrad bestimmt nicht so eisig«, stieg ich nun in Ninas Mutmaßungen mit ein. »Was haben Sie denn eigentlich für eine Pizza dabei? Die Grizzly?«
Nina gackerte, dass ihr fast die Tränen kamen, und ich hielt mir den Bauch.
»Schluss jetzt!«, brummte der Braunbär, stapfte einen weiteren Schritt auf uns zu und fummelte gleichzeitig an dem Pizzakarton herum. Offensichtlich mit den Bärenpranken kein einfaches Unterfangen. Der Zweite folgte und schloss die Tür hinter sich. Schließlich riss sich der Erste die Kostümpfoten von den Händen und klappte den Karton auf. Plötzlich stand er mit einer Waffe vor uns.
»Wo sind sie?«, blaffte der Braunbär und richtete seine Waffe auf Nina.
Die machte große Augen. »Ich verstehe nicht …«
Der Schmale tippte unterdessen dem mächtigen Bären unablässig auf den Arm.
»Was ist denn?« Es sollte wohl ein Zischen sein. Doch mit dem übergestülpten Bärenkopf klang es mehr nach Säuseln.
»Das ist die Falsche, glaub‹ ich«, meinte der Sonnenbrillenbär. »Die da müsste es sein.«
Der Braunbär wandte sich mit einer ungeschickten Drehung mir zu. »Bist du die Blum?«, fragte er unwirsch.
Ich nickte.
»Also gib sie uns, dann sind wir auch schon weg.«
Ich schüttelte verständnislos den Kopf. »Was geben?«
Ein tiefes Schnaufen war zu hören. »Du stellst dich dumm, wie?«
»Die Klunker natürlich«, mischte sich der Schmale etwas gutmütiger ein.
»Los, mach schon! Oder sollen wir dir Beine machen?« Der Braunbär entwickelte sich zunehmend zum Grizzly.
Ich sah die Bären, dann Nina verständnislos an. Durch das Wedeln mit der auf mich gerichteten Waffe hatte ich plötzlich das Gefühl, in meinem Kopf sei eine einzige Leere. Nur nicht die Nerven verlieren, sagte ich mir. Klunker. Welche Klunker? Dann begriff ich. Sie wollten meinen Schmuck. Sicherlich dachten die beiden, weil ich zur Familie Blum gehörte, hätte ich jede Menge teuren Schmuck. Doch da hatten sie eine falsche Rechnung gemacht. Ich besaß fast ausschließlich Modeschmuck. Die einzigen wertvollen Stücke waren mein Ehering und eine Smaragdkette, die mir Thorsten zu unserem ersten Hochzeitstag geschenkt hatte.
»Also wird’s heute noch?«, schnauzte der Braunbär.
Ich setzte mich in Bewegung, um meinen Schmuck aus dem Schlafzimmer zu holen.
»Halt! Wo willst du denn hin?«
»Na, die Klunker holen, oder nicht?« Der Hellste schien er wohl nicht zu sein.
»Hm. Los, geh mit ihr«, forderte er den Sonnenbrillenbären auf. »Ich bleib mit der da hier. In diesem massigen Ding ist sowieso jede Bewegung eine Strafe.« Er schüttelte sich leicht und zielte dann mit seiner Waffe auf Nina. »Also, Lady. Überleg dir, was du tust oder lieber bleiben lässt, sonst ist deine Freundin hier Geschichte.«
Ninas Nasenspitze wurde zunehmend blasser. Und auch ich hatte einen dicken Kloß im Hals. Erneut setzte ich mich in Bewegung. Mit ein paar Schritten stand ich vor meiner Kommode. Der Brillenbär folgte mir auf den Fuß. Ich wollte mich zum Öffnen herunterbeugen und stieß prompt mit dem Bären zusammen. Dann zog ich an der Schublade, doch der Bär hinderte sie am Aufgehen.
»Darf ich vielleicht mal?«, fragte ich inzwischen mehr gereizt als verängstigt. Diese Bärenbande waren wie Dick und Doof.
Er trat einen Schritt nach links, wäre fast gestolpert und auf mein Bett gefallen. Ich rollte mit den Augen.
»Was dauert da denn so lange?«, rief der Brummbär schon zu uns herüber.
Am liebsten hätte ich ihm gesagt, dass es ohne seinen idiotischen Partner schneller gehen würde. Aber ich biss mir auf die Zunge, zog stattdessen mit einem Ruck die Schublade auf, sodass der blöde Bär schon wieder gefährlich ins Wanken kam, und grapschte mir sämtliche Schmuckstück die ich besaß. Da mein Schlafzimmer so klein und eng war, kam ich allerdings nicht an dem dummen Bären vorbei, um zurückzueilen. Wir vollführten also ein kleines Tänzchen, bis ich mich endlich an ihm vorbeigedrängt hatte und mir ein genervtes »Oh Mann!«, entschlüpfte.
Als ich endlich mit meinem gesamten Schmuckvorrat wiederkam, den schmalen Bären im Schlepptau, war ich leicht verschwitzt und derart auf hundertachtzig, dass ich für wenige Sekunden ernsthaft in Erwägung zog, dem Dicken einfach die Pistole aus der Hand zu schlagen. Glücklicherweise schaltete sich mein Versand ein, bevor der immense Adrenalinschub mich zu Dummheiten verleitete.
»Hier, bitte«, sagte ich deshalb nur und warf meine Ausbeute auf das kleine Schränkchen, das Nina und dem Braunbären am nächsten stand.
»Was soll das? Willst du mich für blöd verkaufen?« Er starrte auf meine geliebten glitzernden Schmuckstückchen.
»Aber …« unwillkürlich schüttelte ich den Kopf. »Sie wollten meine Klunker. Hier. Mehr hab‹ ich nicht!«
»Jetzt pass mal auf«, knurrte der Braunbär und ging etwas unbeholfen auf mich zu, die Waffe gefährlich nahe auf meinen Kopf gerichtet.
»Bleib ruhig!« Sein Partner gab ihm einen leichten Hieb mit seiner Pranke auf den Arm, der nun erheblich wackelte. »Bist du doof, oder was?«, fuhr der herum.
Halleluja! dachte ich. Endlich fiel das noch jemand anderem auf.
»Tschuldigung. In dem verdammten Kostüm bewegt man sich einfach anders.« Er zuckte mit den Achseln – oder wollte das zumindest andeuten. Dann wandte er sich mir zu. »Also, pass auf. Die Klunker gehören uns, verstanden? Treib sie auf. Wir melden uns. Und wehe, du hast sie dann nicht.«
»Hey, spinnst du? Was soll das? Ich will sie jetzt! Und zwar sofort!«, entrüstete sich der Braunbär. Er wirkte wirklich gefährlich.
»Mann, denk doch mal nach. Vielleicht hat sie die Dinger gar nicht hier. Thorsten hat sie bestimmt an einem sicheren Ort versteckt.«
»Thorsten?«, fragte ich unsicher. In meinem Kopf überschlugen sich plötzlich die Gedanken. Bisher war ich von einem »normalen« Raubüberfall ausgegangen. Doch die Erwähnung meines verstorbenen Mannes ließ sämtliche Alarmglocken in mir schrillen.
»Also gut«, sagte nun der Braunbär, deutete dann noch einmal mit der Waffe in meine Richtung und meinte: »Wir melden uns. Aber verarsch uns nicht, sonst wirst du auch so ein schöner Schneemann wie der da draußen.« Er wedelte kurz zum Fenster, dann machten beide abrupt kehrt und verschwanden.
Nina und ich standen einige Minuten regungslos da und starrten ihnen hinterher.
😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱
Der Schneemann
Es war wirklich ein wunderbarer Wintermorgen. Die Luft war klar und frisch. Mein erster Blick, kaum dass ich aus der Haustür trat, fiel auf den schönen Schneemann, der unter der alten Eiche neben dem kleinen Tannenbaum, gleich auf der anderen Seite der Einfahrt, stand. Er hatte einen großen birnenförmigen Körper, einen kugelrunden Kopf und sogar einen Arm, der einen Besen hielt. Seine Augen bestanden, soweit ich erkennen konnte, aus zwei Sektkorken, die Nase offenbar aus einem Cupcake mit Himbeercremehäubchen, dessen Spitze eine Amarenakirsche zierte. Wer den wohl gebaut hatte? Ich war mir ziemlich sicher, dass er gestern noch nicht da stand. Doch wer baute mitten in der Nacht einen Schneemann? Die gut betuchten Besucher der Party? Wohl kaum. Oder doch? Vielleicht war bei einem dieser piekfeinen Gäste in der Kombination mit Alkohol das Kind hervorgekommen –und er wollte einfach einmal etwas Albernes machen. Die Sektkorken und der Cupcake sprachen jedenfalls dafür.
Abends:
Mein Blick fiel auf den Schneemann, der nun durch den beleuchteten kleinen Tannenbaum direkt daneben in warmem Licht eingehüllt schien. Wer auch immer den Schneemann gebaut hatte, er hatte den Blick von der Straße auf die Hofeinfahrt um ein schönes Accessoire bereichert.
Ich wollte mich gerade abwenden und ins Warme huschen, als ich aus den Augenwinkeln eine Kleinigkeit wahrnahm, die mich dazu veranlasste, genauer hinzuschauen. Irgendetwas störte mich an dem winterlichen Zeitgenossen. Ich trat näher heran. Und dann wusste ich auch, was es war. Der Arm, der den Besen hielt, hatte plötzlich eine menschliche Hand.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Mit dem Abschicken des Kommentars bin ich mit den Datenschutzrichtlinien des Blogs einverstanden.