Donnerstag, 16. Juli 2020

[Schnipseltime] Sommersonnenträume von André Berlekamp


»Und jetzt noch einmal zu deinem Auftritt, Benjamin Brady Graham. Was ist nur in dich gefahren, unsere Gäste so anzufeinden?«, sagte Nora.

»Daran ist sie selbst Schuld. Ich wäre ihr gerade beinahe in den Kofferraum gerauscht«, erwiderte Brady.

»Über deine Fahrkünste brauchen wir wohl kaum zu sprechen.«

»Am Clifftop Inn gab es einen Rohrbruch, aber als ich dort ankam, hatte Sam das Wasser schon selbst abgestellt. Ich wollte nur helfen.«

»Das ist natürlich nett von dir, aber hör endlich damit auf, jeden, der nicht aus Oceanside und Umgebung kommt, für deine Vergangenheit verantwortlich zu machen.«

»Das mache ich doch gar nicht!«

»Und wie erklärst du dir dann dein Verhalten? Ich weiß, dass auch du Träume hast, und Ängste, die haben wir alle. Das berechtigt dich trotzdem nicht dazu, anderen dein festgefahrenes Gefühlsleben aufzuzwingen.«

»Ich spreche nie über meine Gefühle.«

»Das solltest du aber. Vielleicht findest du so zurück zu dir selbst.«

»Glaub, was du willst.«

»Das tue ich auch.«

Es herrschte Stille und Alley spähte durch das verschmutzte Seitenfenster. Mit dem Rücken ihr zugewandt, erblickte sie Brady.

»Und was macht jetzt dein Drucker?«, fragte er, nahm dabei den kleinen Papierfetzen vom Schreibtisch.

»Dem ging es noch nie besser«, erwiderte Nora und schwieg.

Alley grinste, schließlich war es ihr Verdienst gewesen, nicht seiner.

»Ach, Junge. Was soll ich bloß mit dir anstellen?«, seufzte Nora.

»Ich weiß nicht«, antwortete Brady. »Mich bei der nächsten Bürgermeisterwahl vorschlagen.«

»Du, Bürgermeister?« Nora lachte. »Erst mal musst du lernen, wie man anständig mit einzelnen Gästen umgeht, bevor man dich auf die breite Masse loslassen kann. Du könntest damit anfangen, indem du unserem neuen Gast den Koffer hinaufbringst.«

»Das kann sie mit Sicherheit sehr gut allein und hat es bestimmt auch schon.«

»Du irrst dich, sie hat nämlich ihre Handtasche hier vergessen.«

Brady betrachtete die rote Michael Kors Henkeltasche. »Niemals!«

»Also wirst du auch niemals Bürgermeister.«

»Na schön, aber vergiss nicht, dass es deine Idee war, wenn sie gleich wieder abreist.« Brady drückte den Papierfetzen mit den Fingerspitzen zusammen, rollte ihn zu einer Kugel, während er die Handtasche nahm und zur Tür lief.

»Und sei bitte höflich!«

»Ich garantiere für nichts«, erwiderte er und setzte zu einem Korbwurf an. Wie beim Basketball hob er die Arme und zielte auf den Papierkorb, der neben dem Schreibtisch in der Ecke stand. Er berechnete durch Trockenübungen die Flugbahn und warf die Papierkugel ... vorbei.

»Pech im Spiel, Brady, ...«, sagte Nora lachend.

»Vergiss es!«, unterbrach er sie und verließ kopfschüttelnd das Büro.


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