Sonntag, 26. Juli 2020

[Buchvorstellung einmal anders] Wer sagt, dass die Welt sich weiterdreht - Mein Leben mit einer Fehlgeburt von Sylvia Halcour


Buchvorstellung einmal anders 

Heute treffe ich mich mit der Autorin Sylvia Halcour, um mit ihr über ihr neuestes Buch „Wer sagt, dass die Welt sich weiterdreht – Mein Leben mit einer Fehlgeburt“ zu sprechen.

Hallo, danke, dass du heute Zeit gefunden hast, um für dein Buch zu antworten.
Das mache ich sehr gern 😊
Kannst du uns dein Buch in möglichst wenig Sätzen beschreiben?
Mein Buch erzählt die Geschichte einer Fehlgeburt in der Schwangerschaft. Bei einer Routineuntersuchung in der zwölften Woche erfuhr ich, dass das Herz meines Kindes nicht mehr schlägt. Es war eine der schlimmsten und schmerzvollsten Erfahrungen, die ich jemals gemacht habe. Damit hätte ich vorher nie gerechnet. Ehrlicherweise hatte ich der Schwangerschaft – es war mein zweites Kind – bis zu dem Verlust nicht so viel Beachtung geschenkt, was ich später natürlich sehr bereute. Die Fehlgeburt hat mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Davon erzählt das Buch.
Laut dem Klappentext, arbeitest du ja einiges in diesem Buch auf. Fällt es dir leichter einfache, schöne oder schwierige, düstere Zeiten und Situationen zu beschreiben?
Damals, als die Wunden noch frisch waren, ist es mir sehr schwergefallen, darüber zu schreiben. Denn dadurch musste ich mich dem Schmerz zuwenden, was ich überhaupt nicht wollte. Mir ging es darum, alles zu vergessen und natürlich schnell ein neues Kind bekommen. Aber so funktioniert das Leben nicht und in meinem Fall war das auch gut so.
Hast du eine Lieblingsstelle, die du uns gerne vorstellen würdest?
Am liebsten mag ich die letzten Sätze des Buches. Aber die möchte ich hier nicht vorwegnehmen. Es gibt aber auch eine Szene aus dem Krankenhaus, die ich sehr mag, weil sie meine damaligen Gefühle so gut trifft. Ich hatte gerade von der Fehlgeburt erfahren und wartete nun im Krankenhaus auf die weitere Behandlung: 
»Zurück im Zimmer trat das erste Mal für einen Moment Ruhe ein. Mein Sohn war eingeschlafen und sein Kopf ruhte an der Schulter meines Mannes. Sie beide waren mir so nah, saßen gleich neben der Liege, auf der ich lag, aber ich fühlte mich so unendlich allein. Ich trug kein Leben mehr in mir und es war, als hätte dieses Kind mein Leben mitgenommen. Immer wieder braute sich der Schmerz wie ein Orkan zusammen und schüttelte mich durch, dauernd musste ich weinen, aber nach keiner Träne empfand ich so etwas wie Erleichterung, es war, als durchbohrte jemand mit bloßem Finger mein Herz. Für alles gab es eine Lösung, irgendeinen Ausweg, ein Licht der Hoffnung, für ein totes Kind gab es das nicht. 
Oder wachst du doch gleich auf, dachte ich. Ist das alles nur ein böser Traum? Mit welcher Erleichterung hätte ich aufgeatmet, mit welcher Hingabe die Hand auf meinen Bauch gelegt. Vielleicht hätte ich auf der Stelle für das Kind gesungen, liegend und mit noch heiserer Stimme vom Schlaf, weil ich begriffen hätte, wie fragil das Leben ist, wie sehr man es schätzen muss, an jedem Tag, an dem es einem nicht aus den Händen rinnt. Die Tränen – der Freude und auch der Ergriffenheit – wären mir dabei von den Wangen in die Ohren geflossen und vielleicht hätte ich sie dann lachend mit einem Finger herausgepult.«
Wie viel echte Sylvia steckt in dem Buch oder auch in dem ein oder anderen Charakter?
Sehr viel. Es ist meine Geschichte. Mit der Beschreibung der Menschen aus meinem Umfeld war ich natürlich zurückhaltender.
Wann kam die Idee zum Titel? Stand der schon im Vorfeld fest oder hat er sich im Laufe des Schreibprozesses verändert?
Ich dachte damals immer: Wenn ich jemals ein Buch über diese Erfahrung schreibe, dann wird es so heißen. Der Titel drückt alles für mich aus. Man erlebt so etwas, bekommt diese Nachricht, und überall um dich herum läuft alles ganz normal weiter, während die eigene Welt stehen bleibt.
Bist du zu 100% zufrieden mit dem Cover oder würdest du nachträglich gerne etwas ändern wollen?
Ja, ich bin voll und ganz zufrieden und würde nichts ändern. Das Cover ist von einem sehr kreativen Designer aus Serbien.
Zum Abschluss würde mich noch dein Lieblingszitat aus dem Buch interessieren.
Hier ist es: 
»Mir war es in den letzten Jahren meines Lebens immer gelungen, in allem Schlechten, das ich erlebt hatte, etwas Gutes zu sehen, aber nun gab es nichts, das dem einen Sinn geben könnte. Ich wusste, egal, wie ich durch diese Erfahrung reifte, wie sie mich veränderte und mir möglicherweise zeigte, was wichtig im Leben ist und was nicht, dieses Kind, dieses eine Kind, wäre für immer tot. Und niemals, egal wie, würde ich es lächeln sehen, niemals könnte ich es vorsichtig stützen, wenn es seine ersten Schritte machte, niemals würde es seine Hand auf mein Gesicht legen, weil es mich so liebt.«
Danke für das Gespräch.
Immer gern ❤️️

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