Dienstag, 2. November 2021

[Schnipseltime] Shadonai - Das Gold von Eskindir von Maryse Hill

 


Textauszüge aus Shadonai – Das Gold von Eskindir (Bd 1) 
von Maryse Hill:


"Energisch riss der Libellenbaum seine langen Zweige empor, um sie im nächsten Augenblick wie Peitschenhiebe nieder zu schlagen und in die weiche Erde zu treiben. Sie beschworen etwas im Boden herauf. Er vibrierte unter Tias Füßen. Mächtige Energie strömte durch das Gras und setzte die Halme in Bewegung, als würde ein Sturm über sie hinwegfegen. Funken sprühten knisternd an ihren Spitzen. Und mit einem Mal wirbelten die zusammengeharkten Blätter auf, tanzten schwebend in der Luft und formten eine Windhose. Wie das schimmernde Laub wurde auch Tia mitgerissen – drehte sich mit ihnen wie ein tanzender Derwisch. Anschließend wurde sie von Dunkelheit verschluckt. Sie spülte sie wie eine schwarze Welle fort – an einen Ort, an dem die Vergangenheit zäh und klebrig wie Honig in ihren Verstand floss. Sie stand nicht länger auf der Lichtung. Plötzlich fand sie sich auf dem Boden eines Hauses wieder. Er war aus kostbarem Carrara Marmor und glänzte im goldenen Schein der Sonne, die zu großen deckenhohen Fenstern herein blinzelte."

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»Da drüben ... am Rande der Schreckensberge«, rief er. »Da sind sie!« Er deutete auf eine Gestalt, deren Silhouette sich in der Ferne vor der leuchtenden Kulisse eines riesigen Gebirgszuges absetzte. Die Kapuze einer scharlachroten Kutte mit Überwurf verdeckte Körper und Haar. Doch Tia war sich ebenso sicher wie Akenu, dass es sich um den Fremden aus ihrem Zimmer handeln musste. Er ritt auf einem seltsamen nachtschwarzen Tier, dessen neblig-rauchige Kontur unruhig hin und her waberte. Vergeblich versuchte Tia, ihren Vater auf dem Rücken des qualmenden Reittieres auszumachen, vermochte aber nichts zu erkennen. Beständig veränderten sich seine Umrisse – wie beim Rauch einer Zigarette. Erschrocken zuckte Tia zusammen, als Akenus schriller Pfiff im nächsten Moment die Stille durchschnitt. Er hatte eine Art hölzernes Instrument an die Lippen gesetzt, das aussah wie eine Mischung aus Trillerpfeife und Flöte. Ein röhrender Laut erklang daraufhin, gefolgt von einem trabenden, wie von galoppierenden Hufen erzeugten, Geräusch. Und dann sprang etwas Gigantisches über ihre Köpfe hinweg und kam schnaufend wie ein Stier vor ihnen zum Stillstand ...

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Für einen Moment verspürte sie den Drang, ihm entgegenzulaufen. Vor Freude, wäre ihr fast das Herz aus der Brust gehüpft, solange hatte sie einem Wiedersehen mit ihm entgegengefiebert. Doch enttäuscht schluckte sie, als seine Haltung eine gewisse Unnahbarkeit ausstrahlte. Irritiert hielt sie inne. Wie versteinert, starrte sie ihn an. Erkannte er sie nicht wieder? Ein ernüchterndes Nicken als Geste der Begrüßung, sollte ihre Frage beantworten. Aber außer dem Anflug eines verhaltenen Lächelns machte er keine weiteren Anstalten ihr entgegenzukommen. Aus irgendeinem Grund schien er ihre Wiedersehensfreude nicht zu teilen. Geknickt spürte Tia, wie ihr das Herz in die Hose rutschte. Betrübt senkte sie den Blick. Als sie ihn wieder hob, hatte Akenu ihr bereits den Rücken zugewandt und war zu einem anderen Stand gezogen.

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»Lust auf ein kleines Abenteuer?«, fragte Akenu mit blitzenden Augen. Ohne Tias Antwort abzuwarten, sprang er auf und zog sie ebenfalls auf die Beine, dann hinter sich her zum Eliator. Dieser hatte sich gähnend ins Gras gefläzt und streckte seine geschmeidigen Glieder. Doch aufgeregt, als habe er Akenus Worte belauscht, stand er auf, rieb kurz schnurrend den tigerähnlichen Kopf an dessen Schultern und schob die Vorderpfoten im nächsten Moment nach vorn, so dass Akenu rasch auf seinen Rücken klettern konnte. »Schnell! Nimm meine Hand!«, kamen ihm die Worte eilig über die Lippen. »Sonst ist er wieder weg!« Hastig zog er Tia hinauf. »Gut festhalten, es könnte etwas turbulenter werden!« Kaum hatte Tia die Arme um Akenus Körper geschlungen, da preschte der Eliator auch schon los. Sie konnte den kräftigen Lufthauch spüren, als sich seine gigantischen Flügel entbreiteten und sich flink auf und ab bewegten. Dann wurde es in der Tat rasant: Wie ein Kamikazeflieger jagte Samrin dem Shideezhi-Männchen hinterher. Von Akenu ermutigt, nahm er so schnell Fahrt auf, dass Tia sich an ihm festkrallte wie ein Kätzchen an einem Baum. Schlug das Shideezhi einen Haken, taten sie es ihm nach. Wirbelte es in spektakulären Loopings durch die Lüfte, beschrieben auch sie einen wagemutigen Kreis. Tia konnte nicht anders, als unentwegt Schreie auszustoßen. Sie kam sich vor wie in der Achterbahn. Eben noch oben, ging es schon wieder steil im Sinkflug nach unten und flogen sie unterhalb des Alphas, so flitzten sie im nächsten Moment wieder überstürzt in die Höhe.

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Glühend grüne Augen flammten im Dickicht auf. Aus dem tiefen Dunkel des Unterholzes trat ein Schatten hervor, der langsam Gestalt annahm. Tias Herz pumpte wild in der Brust. Düstere Erinnerungen ergriffen sie und ließen sie frösteln.
»Sie müssen mir helfen«, platzte es erleichtert aus ihr heraus. »Ich hab mich verirrt!« Gerade wollte sie dem Fremden entgegenlaufen, als sie schlagartig innehielt, die Augen schreckgeweitet. Denn die Person, die ihr nun entgegenkam, strahlte alles andere als Vertrauen aus. Ein Mann mit seltsam gekrümmter Körperhaltung schritt auf sie zu. Die Art, wie er sich bewegte, wirkte bedrohlich und erinnerte Tia an ein Raubtier auf der Jagd. Als er in das dämmrige Licht des Mondes trat, sah sie, dass er bis auf eine zerschlissene und vor Dreck stehende Hose nichts am Leib trug. Der Mann machte einen vollkommen verwahrlosten Eindruck, die nackte Haut des hageren Oberkörpers zerkratzt und blutverkrustet. Seine Gliedmaßen wirkten seltsam überdehnt, der Unterkiefer übernatürlich kräftig. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen, die sie aus tiefen Höhlen heraus pulsierend musterten.

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"Doch jäh erschrak sie, als sie einen kleinen Schemen am anderen Ende des Raumes entdeckte. Seine Konturen waren verschwommen, als würde sie durch eine nasse Glasscheibe sehen. Er war winzig. In etwa von der Größe eines zweijährigen Kindes. Verblüfft starrte sie ihrem unbekannten nächtlichen Besucher entgegen. Keck stierten zwei kullerrunde Augen zurück, während der Rest des Körpers blitzschnell mit der Umgebung verschmolz. Fast glaubte sie, den Verstand zu verlieren, als ihr im nächsten Moment lediglich zwei Augen entgegenblickten, sich dann schlossen und ihr eine rote Zunge herausgestreckt wurde. Nur Augen und Zunge. Kein dazugehöriger Körper."

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»Madinkra bedeutet die Vereinigung aller vier Kräfte. Die Fähigkeiten der Tayús, der Elysen, der Fayeen und der Mahus werden so für jeden Shadonai verfügbar gemacht.«
»Nur denjenigen, die das Mal der ›Magischen Fünf‹ tragen, gehorchen die Madinkras. Für andere, auch wenn sie über noch so mächtige Magie verfügen, bleibt ihre Kraft verborgen. Diese Shadonai-Kräfte vereinen die Fähigkeiten aller vier tayutischen Völker miteinander, so als hätte man sie alle in einen Topf geschmissen und umgerührt ... Es sind Kräfte, die an besondere Symbole gebunden sind. Spricht man ihren Namen aus, so wird ihre Kraft entfesselt. Das am Tor war ein einfaches Entriegelungs-Madinkra. Es existieren viele solcher Madinkras. Sie her ...« Takemi rückte ein Stück näher, dann nahm er Tias Hand und legte sie mit der flachen Innenfläche nach oben zeigend in die Seine. Sprich mir nach: »Madinkra Volantis.« - Takemi & Tia

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Und dann sprang etwas Gigantisches über ihre Köpfe hinweg und kam schnaufend wie ein Stier vor ihnen zum Stillstand. Augenblicklich weiteten sich Tias Augen vor Verwunderung. Nie hatte sie ein solch befremdlich aussehendes Geschöpf gesehen. Dampf quoll aus aufgeblähten Nüstern groß wie Teetassen, während das pferdeähnliche, jedoch felllose Tier, ungeduldig mit den Hufen scharrte. Ledrige Haut spannte sich über kräftige Muskulatur, die am Nacken so ausgeprägt erschien, dass sie an dicke Baumwurzeln erinnerte. Die Oberfläche war glatt wie bei einem Orca und ein auffälliges Muster wie bei einer Boa Constrictor, schmückte den wuchtigen Körper. Die glänzende Haut schillerte in einem roten Grundton, auf dem schwarz umrandete, leuchtend blaue Flecken schimmerten. »Das ist ein Shoheed«, erklärte Akenu, während er dem riesigen Tier, dessen Schulterhöhe weit über zwei Meter zu sein schien, liebevoll auf den breiten Hals klopfte.

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