Donnerstag, 4. Juni 2020

[Reiheninterview] Herzensreihe von Anja Langrock

  

Reihenvorstellung

Heute treffe ich mich mit Anja Langrock, um mit ihr über ihre Herzensreihe zu sprechen.

Hallo, danke, dass du heute Zeit hast, um mit mir über deine Reihe zu reden.
Hallo, liebe Claudia, ich freue mich sehr auf deine Reihenvorstellung.
Kannst du uns deine Reihe, bestehend aus den Teilen „Das Flüstern unserer Herzen“, „Das Leuchten unserer Herzen“ und „Das Beben unserer Herzen“ mit wenigen Worten vorstellen? 
In meiner Reihe steht die Familie Andersen im Vordergrund. Eine wohlhabende Reedereifamilie, deren Kinder Raphael und Luise, die Hauptprotagonisten in der ersten sowie zweiten Geschichte sind. 
Raphael verhält sich aufgrund seiner Vergangenheit kalt und unnahbar. Er hat es sich zur Regel gemacht, mit einer Frau jeweils nur einmal zu schlafen. Keine Verpflichtungen, keine Nähe. Bis er auf Emilia trifft, die ebenfalls eine Last mit sich trägt. Die gegenseitige Anziehung wollen beide nicht wahrhaben. 
Luise hingegen ist eine unbekümmerte junge Frau, die augenscheinlich nur die schönen Dinge im Leben interessiert. Eine Verhaltensweise, die Raphaels besten Freund in den Wahnsinn treibt. Luise ist schon seit Kindheitstagen in den zehn Jahre älteren Henry verliebt. Durch eine gemeinsame Patenschaft treffen sie zwangsläufig häufiger aufeinander und bald muss sich Henry fragen, ob er Luise nicht komplett falsch eingeschätzt hat. 
Der dritte Teil handelt von Luises bester Freundin Sophie und dem Amerikaner Liam, der nicht das ist, was er behauptet. Sophie ist für ihn nur Mittel zum Zweck, um an Luise und Raphael heranzukommen. Was ihn mit der Familie Andersen verbindet, bleibt erst einmal ein Geheimnis. Während er seine Zeit mit Sophie verbringt, wird ihm zunehmend klar, dass sie Gefühle in ihm weckt, die er sich keinesfalls eingestehen will, da sie seine Pläne gefährden würden. 
Deine Charaktere wachsen mit ihren Aufgaben, entwickeln sich weiter, bestehen so manche Situation. Fällt es dir leichter sie durch einfache, lustige oder durch schwierige, düstere Zeiten und Situationen zu führen?
Das ist pauschal schwer zu beantworten. Mir fallen insgesamt Szenen, die durch Emotionen geprägt sind, deutlich leichter zu schreiben, als Szenen, in denen die Handlung so dahinplätschert. Wenn ich mich festlegen soll, sind es wohl die schwierigen, düsteren Szenen.
Hast du Lieblingsstellen in deiner Reihe, die du uns gerne vorstellen würdest? 
Das Flüstern unserer Herzen
In seiner stickigen, engen Kabine hatte er es nicht mehr ausgehalten. Es machte ihn fast wahnsinnig, dass Emilia nur einige Meter weiter entfernt schlief, so nah und doch so fern. Was hatte er sich nur dabei gedacht, sich von Miriam überreden zu lassen, sie einzuladen? Nun tanzte sie mit ihrer süßen Stupsnase und ihrem betörenden Duft nach etwas Kokos und Vanille die ganze Zeit über das Schiff und nahm jeden Winkel mit ihrer Präsenz ein. Wie sollte er sich Klarheit über seine Gefühle verschaffen, wenn sie ihn derart ablenkte? Emilia war einfach überall, er fühlte sich erdrückt und überfordert. Nun hatte sie es geschafft in seine Welt einzudringen. Er konnte sie nicht mehr losgelöst von der erdrückenden Macht erleben, die er tagtäglich verspürte. Machte dies alles kaputt oder barg es die Chance auf einen Neuanfang? 
Nun stand er an Deck und ließ seinen Blick gedankenverloren über den rabenschwarzen Himmel gleiten, der seiner Seele so nahekam. 
Warum hatte sie eine derartige Wirkung auf ihn? Er kannte sie doch kaum. Aber dass es nicht ausschließlich sexuelle Reize waren, die sie so anziehend machten, hatte er mittlerweile akzeptiert. Dennoch wünschte er sich nichts sehnlicher als sein gewohntes, geregeltes Leben wiederzuerlangen. Sein Leben, in dem er sich auskannte, in dem er jede Kurve, jede Wegstrecke blind erkannte. Er wollte seinen sicheren, standfesten Platz zurückhaben, wie die Sterne seit Jahrtausenden am Sternenhimmel. 
Wütend trat er gegen die Reling. Es waren lediglich ein paar Tage, die er mit Emilia verbringen musste. Da sollte es doch möglich sein, sich höflich zu begegnen und ansonsten seine eigenen Wege zu gehen. 
Als er leise Schritte wahrnahm, die augenblicklich stehen blieben, als sie ihm so nahe waren, um ihn zu erkennen, wusste er sofort, dass es Emilia war. Er konnte ihre Anspannung fast körperlich spüren. 
Ohne sich umzudrehen fragte er: „Kannst du auch nicht schlafen?“ Und bereute die Frage im selben Moment, denn er wollte gar nicht wissen, was sie davon abhielt. Damit könnte sie versperrte Türen öffnen, die ein riesiges Chaos auslösen würden. 
Vielleicht hörte sie seine unausgesprochenen Überlegungen aus seinem emotionslosen Tonfall heraus, denn sie antwortete lediglich: „Ja, mir ist zu warm.“ 
Was unweigerlich ein Kopfkino bei Raphael auslöste, der sich vorstellte, wie sie sich verschwitzt im Bett hin und her wälzte und sich schließlich auszog, bis sie nackt, lediglich mit einem Laken bedeckt, dalag. Herrje, das konnte doch nicht wahr sein! Nun war er froh über die Dunkelheit, dennoch brachte er es nicht über sich Emilia anzusehen. 

Als Raphael am nächsten Morgen erwachte und schlaftrunken nach Emilia tastete, war sie nicht da. Schlagartig war er hellwach und setzte sich auf. Kurzzeitig überfiel ihn die irrationale Angst, sie könnte ihre Sachen gepackt haben und aus seinem Leben verschwunden sein. Zu seiner grenzenlosen Erleichterung sah er ihre Klamotten überall verteilt im Schlafzimmer liegen. Derart wohlwollend hatte er Emilias Chaos noch nie betrachtet. 
Schließlich fand er sie auf der Dachterrasse sitzend mit einer Tasse in der Hand und in einen Bademantel gehüllt. Sie sah dermaßen in sich gekehrt und gedankenverloren aus, dass sich Raphaels Magen schmerzhaft zusammenzog. Das furchtbare, erdrückende Gefühl, welches ihn direkt nach dem Aufwachen überfallen hatte, war ungehindert wieder in sein Herz gestürmt. 
Keine seiner üblichen Waffen hatten es aufhalten können. Ihm war bewusst gewesen, auf was er sich einlassen würde, wenn er Emilia jeden Winkel seines Herzens präsentierte, aber wie groß, wie weitreichend, wie tief diese Macht war, das bekam er brutal in diesem winzigen Moment zu spüren. 
Emilia sah so verloren aus, als wüsste sie nicht, wo ihr Platz auf der Welt, aber vor allem in seinem Leben war. Leise trat er auf sie zu. „Kannst du nicht mehr schlafen?“ 
Grandiose Feststellung, Raphael, warum sonst sollte sie hier um sieben Uhr morgens sitzen? 
Emilia trank einen Schluck, während sie weiterhin den Blick in die Ferne schweifen ließ. Als würde ihr das ruhige, beständige 
Treiben des Flusses Sicherheit geben. 
„Zu viele Gedanken, zu viele Emotionen“, erwiderte sie lediglich. 
„Ist dir nicht kalt?“ Zwar versprach der Morgen endlich wieder einer der letzten sommerlichen Tage zu werden, aber dennoch war es zu dieser frühen Stunde noch frisch. 
Emilia zog den Mantel etwas fester um sich. „Dafür sorgt der Bademantel, zumindest äußerlich. Der Rest wird heute nicht warm werden.“ 
„Ist dafür nicht der da zuständig?“ Raphael wies auf ihre Teetasse, wohlwissend, dass sie von etwas ganz anderem gesprochen hatte. 
„Ein Versuch ist es zumindest wert.“ Jetzt sah sie ihn doch endlich an. Ihr Versuch zu lächeln misslang gründlich. Was dazu führte, dass der Zeiger auf Raphaels Angstskala alarmierend um eine weitere Zahl nach oben schnellte. 
Momentan fühlte er sich unfähig zu Emilias Innerem vorzudringen. 
Wollte sie ihm ihre Sorgen nicht mitteilen? Konnte sie diese selbst nicht in Worte fassen? Oder lag es an der einfachen, aber unbestreitbaren Tatsache, dass beide keine Lösung wussten? 
Dennoch musste er verhindern, dass Emilia sich innerlich immer weiter von ihm entfernte. 

Das Leuchten unserer Herzen 
Warum tust du das?“ Unversöhnlich brach sie das Schweigen, während er durch die Nacht brauste. 
Er warf ihr einen schrägen Blick zu. „Weil ich mich wie ein verdammtes Arschloch aufgeführt habe. Ich bin schuld, dass es dir so schlecht geht.“ 
Luise erwiderte spöttisch: „Ich glaube, du überschätzt dich wieder mal gewaltig. Schuld an meinem Zustand sind wohl eher ein paar Drinks zu viel.“ Sie schloss die Augen, weil alleine der Gedanke an alkoholische Getränke einen erneuten Würgereiz auslöste. Plötzlich spürte sie die warme Haut seiner Hand auf ihrer. Luises Herzschlag stockte kurz und sie wagte fast nicht weiter zu atmen. 
„Das stimmt nicht. Ich weiß sehr wohl, dass ich dich mit meinen Anschuldigungen sehr verletzt habe. Und das tut mir leid, denn so ein Verhalten hast du nicht verdient. Auch wenn du jede Nacht mit einem anderen Kerl schläfst, geht mich das überhaupt nichts an. Das ist ganz alleine deine Sache.“ 
Luise zuckte zusammen. Sie würde sich garantiert nicht mit Henry über Sex unterhalten. Sie musste unbedingt das Thema wechseln, bevor ihr die ganze Sache zu heiß wurde. 
„Warum warst du so sauer?“, fragte sie schließlich vorsichtig, während sie ihn im Blick behielt. Henry seufzte und fuhr sich durchs Haar. Anscheinend fühlte er sich gerade alles andere als wohl. Das geschah ihm recht. 
„Ich weiß es nicht. Irgendwie brannte bei mir eine Sicherung durch, als er dich betatscht hat. Vielleicht liegt es daran, dass du für mich immer noch das kleine Mädchen bist, das allen möglichen Interessen nachgeht, aber ganz sicherlich keinen Sex hat.“ 
Herrje, hätte sie ihn doch bloß nicht gefragt, diese Antwort wollte sie garantiert nicht hören. Eifersüchtig, dass ich nicht lache. Ach Sophie, du hast dich vollkommen getäuscht. Sie drehte sich zur Seite und während der restlichen Fahrt stellte sie sich schlafend, um ihre Enttäuschung zu verbergen. Deshalb entgingen ihr auch seine forschenden Blicke, die er ihr immer wieder zuwarf. 
„Wir sind da.“ Seine ruhige Stimme ertönte leise, während er ihr zeitgleich zärtlich über die Wange strich, als ob er ein Kleinkind vorsichtig wecken wollte. 
Instinktiv schmiegte sie ihr Gesicht an seine Hand. Da sie immer noch die Augen geschlossen hielt, konnte sie sich herausreden, dass sie schlief und gar nicht mitbekam, was sie tat. Sie hörte ihn scharf einatmen. Was hat das jetzt wieder zu bedeuten? 
Er nahm seine Hand nicht weg. Luise lehnte sich weiterhin an. Schließlich strich er ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht und nahm dann ihr Gesicht in beide Hände. 
Luise wurde heiß und ihr Puls raste, wie der eines Babys. Was hatte er vor? Sie hörte an seinem Atem, dass er ihr näherkam. Kurz vor ihrem Mund verharrte er und sprach wieder sanft. 
„Luise, wach auf. Wir sind zu Hause.“ Als sie widerwillig die Augen öffnete, nahm er rasch seine Hände weg, als wäre nichts geschehen. 
„Kommst du allein klar oder soll ich dir helfen?“ Sein süffisanter Blick ließ sie schlagartig wieder klar denken. Keinesfalls würde sie ihm erlauben, ihr beim Ausziehen behilflich zu sein. 

„Hallo Luise, schön dich zu sehen“, Henrys kühle, distanzierte Stimme stand im auffallenden Widerspruch zu seinen Worten und zu den Wangenküsschen, die er ihr gab. Wahrscheinlich stellte er sich gerade vor, wie er sie stattdessen liebend gern ohrfeigen würde. Verdient hätte sie es! 
Sie sollte jetzt etwas Unverfängliches antworten. Und zwar schleunigst, bevor Raphael ihr doch noch auf die Schliche kam. Aber wie sollte sie ihrem Gehirn vernünftige Wörter entlocken, wo dort doch gerade ein Hurrikan tobte und alle Gedanken durcheinanderwirbelte, bis nur noch ein einziges Chaos zurückblieb? Sie konnte nur immer wieder einen Gedanken erhaschen. Dass sie sich am liebsten in seine Arme stürzen würde, um ihm zu sagen, wie leid ihr das Ganze tat. Ihm sagen, dass sie es nicht so gemeint hatte. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als von ihm zu hören, dass er ihr verzieh. 
„Hast du deinen Text dabei?“ Endlich konnte sie Buchstaben verständlich zu Wörtern formen. 
Henry sah sie ernst an und nickte ihr lediglich zu. 
Er ist sauer auf mich. Nein, er ist verletzt. Und ich kann es ihm nicht verdenken. Ich glaube, er hasst mich. Sie musste sich jetzt auf den Ablauf der Taufe konzentrieren. Zu ihrer grenzenlosen Erleichterung sah sie den Pfarrer auf die kleine Gruppe zukommen. Es ging also endlich los. 
Natürlich sorgte der miese Verräter namens Schicksal dafür, dass sie im Gedränge neben Henry saß. Eine ihrer Cousinen hatte ihr bereitwillig Platz gemacht, damit die Taufpaten ganz vorne zusammensitzen konnten. Wunderbar! 
Ihrem heftigen Protest schenkte Sarah leider keine Beachtung und erhob sich einfach lächelnd. Nachdem sie nicht weiterhin auffallen wollte, blieb ihr gar nichts anderes übrig als sich zu setzen. 
„Keine Sorge, ich beiß dich nicht. Auch wenn du das annimmst“, kam natürlich ein sarkastischer Kommentar von Henry. Nicht einmal jetzt konnte er es unterlassen, sie zu piesacken. 
„Ich habe keine Angst vor dir“, zischte Luise, während sie ihren Blick starr auf Lia gerichtet hielt. 
„Das klang neulich aber noch ganz anders.“ 
Henrys Stimme hörte sich merkwürdig an, sie konnte nicht einordnen, was gerade in ihm vorging. Eigentlich hatte sie gedacht, er würde an seiner Wut auf sie fast ersticken, aber er klang nicht wütend. Vielmehr hatte sie den Eindruck, dass ein Hauch Verzweiflung in seinen Worten mitschwang. 
Aber das konnte nicht sein. Sie musste sich getäuscht haben. 
„Bitte hör auf, Henry“, brach es erstickt aus Luise hervor. 
Lange würde sie ihre mühsam beherrschte Haltung nicht mehr aufrechterhalten können. Obwohl sie ihn immer noch nicht ansah, spürte sie seinen brennenden Blick auf sich und sie musste sich bemühen dieser magischen Anziehung nicht zu folgen. Was würde passieren, wenn sich ihre Blicke trafen? 
Zu ihrem Erstaunen wisperte er kurz darauf: „Ich bin schon still. Es tut mir leid.“ 
Sie musste sich verhört haben. Warum sollte er sich bei ihr entschuldigen, wo doch sie diejenige war, die ihn um Verzeihung bitten müsste? Nun warf sie ihm doch einen verstohlenen Blick zu. 

Das Beben unserer Herzen 
Sie sah Liam hinterher, bis er um die Kurve verschwand. Leider drehte er sich nicht noch einmal zu ihr um, was sie insgeheim gehofft hatte. 
Sein Abgang hatte sie verunsichert. Die Zeit mit ihm auf dem Eis war wunderschön gewesen. Sophie hatte sich in seiner Gesellschaft unglaublich wohlgefühlt, als würde sie ihn schon ewig kennen. Sogar ihre lästige Unsicherheit hatte sie endlich verloren. Als er sie in den Arm genommen hatte, schlug ihr Herz so heftig, als wäre sie einen Marathon gelaufen. Zarte Schauer rieselten ihr wie sanfte Schneeflocken den Rücken hinab. Sie wollte mehr. Am liebsten hätte sie ihn geküsst. Aber das hatte sie sich dann doch nicht getraut. Nun überfiel sie der unerwünschte Zweifel erneut mit voller Wucht. Mühselig riss sie sich aus ihrer Starre und sperrte das Fahrrad auf. 
Während sie nach Hause fuhr, grübelte sie weiterhin über Liams seltsamem Verhalten. Die ganze Zeit hatte er sich bemüht, ihr Komplimente zu machen, ihr zu schmeicheln. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass er sich in ihrer Gesellschaft ebenso wohlgefühlt hatte, wie sie. 
Und dann war da plötzlich dieser Moment, als sich sein Gesichtsausdruck verändert hatte. Ohne einen erkennbaren Grund hatte er sich verschlossen. Kurz sah es sogar so aus, als würde Wut aus seinen Augen blitzen. Aber worüber? Was hatte sie falsch gemacht? Es war doch ganz offenkundig, dass sein Job eine Ausrede war. Zuvor hatte er nicht einmal angedeutet, dass er es eilig habe. Er wollte weg von ihr. So schnell wie möglich. 

Ihr Verstand meldete durch allerlei Warnsignale, dass sie unter Schock stand. Das ausströmende Adrenalin half ihr dabei, nicht zusammenzubrechen, sondern wie eine Irre in die Pedale zu treten, als ob es dafür einen Preis zu gewinnen gäbe. Den hatte sie allerdings heute schon erhalten: die Auszeichnung zur naivsten und dümmsten Gans auf diesem Planeten. Immer noch weigerte sich ihr Verstand, zu akzeptieren, dass ihr Leben binnen weniger Momente zu einem einzigen Scherbenhaufen wurde. Ihr Herz hingegen hatte den Kampf schon lange aufgegeben. Es hatte schon in dem Moment aufgegeben, als sie Liams Blick aufgefangen hatte. Auch wenn er äußerlich ruhig aufgetreten war und mit emotionsloser Stimme zu ihr gesprochen hatte, sah sie ihm an, welch immense Wut in ihm getobt hatte. Gefühle, für die sie die Verantwortung übernehmen musste. Wenn es nur dabei geblieben wäre, damit hätte sie leben können. Sie hätte einen Weg gefunden, Liam den Schmerz über diesen Verrat zu nehmen. Aber was er getan hatte, war unentschuldbar. Die ganze Zeit hatte sie geahnt, dass er etwas vor ihr verbarg. Etwas Machtvolles! Aber die Intensität dessen hatte sie nicht erahnen können. Niemals hätte sie gedacht, dass Liam in der Lage wäre, so etwas Perfides auszuhecken und durchzuführen. Währenddessen hatte er ihr gegenüber den Unschuldigen gespielt und ihr eiskalt ins Gesicht gelogen. Er war ein gottverdammter Psychopath. Sie sollte froh sein, wenn er aus ihrem Leben verschwand. Das sagte ihr zumindest ihr Verstand. Ihr Herz war zwar gerade beschädigt und es war noch unklar, ob es jemals repariert werden könnte, dennoch traten in jedem einzelnen Splitter ihre Gefühle für Liam zutage. Immer noch war er ihr alles andere als gleichgültig. Ihr Herz sagte ihr, dass es einen Grund für sein Verhalten gab. Immer wieder hatte sie den liebevollen und gutherzigen Liam gespürt, dennoch konnte sie einfach nicht leugnen, dass er eine dunkle Seite hatte, die ihr angst machte. 
Wie viel echte Anja steckt in deinen Büchern oder dem ein oder anderen Charakter?
In jedem Buch steckt ein ganz klein bisschen Anja. Das können einzelne Charaktereigenschaften oder Vorlieben der Protagonisten sein. Aber wirklich nur ein Hauch, in zwei meiner Bücher gibt es allerdings Personen, die es im realen Leben gibt, die ich mir als Vorlage genommen habe. Z.B. sind die Protagonisten Miriam und Linus, eine meiner besten Freundinnen und ihr Mann, die tatsächlich diesen illustren Freundeskreis pflegen. 
Wenn ich deine Protagonisten, Antagonisten oder auch Nebencharaktere fragen würde. Wie würden sie dich beschreiben? 
Emilia: Puh, das ist gar nicht so einfach. Sie ist eine ganz Liebe, die immer Zeit und Verständnis für meine Sorgen und Nöte hat. 
Henry: Du hast leicht reden, du kommst ja auch immer gut weg. Ich finde, dass sie zielstrebig vorgeht und genau weiß, was sie möchte. Allerdings lässt sie auch mit sich reden und war so freundlich, mein wahres Inneres preiszugeben und mich nicht nur auf den Machoarsch zu reduzieren. 
Raphael: Ihr Tempo hat mich ganz schön überrollt, unglaublich in welch kurzer Zeit sie unsere Geschichte erzählt hat. Ich hatte doch gerade erst meine Trennung überwunden und dann sollte ich mich schon für Emilia öffnen. So einfach wollte ich es ihr dann doch nicht machen. Schlussendlich hat Anja sich natürlich durchgesetzt und meine Wandlung gegen meinen anfänglichen Willen durchgezogen. 
Emilia: Willst du dich etwa beschweren? Sag bloß nichts Falsches. Ich bin ihr sehr dankbar, dass sie dein weiches Herz entdeckt hat. 
Raphael: Kleines, insgeheim bin ich doch auch froh, dass Anja auf Happy Ends steht. Ich gebe es aber nicht zu. 
Luise: Man merkt, dass sie uns alle liebt. Ich durfte auch eine tolle Entwicklung durchlaufen. Anja hat erkannt, welch Potenzial in mir steckt. Durch ihre einfühlsame und aufmerksame Art hat sie uns zugehört und unsere Bedürfnisse berücksichtigt. Sie würde niemals egoistisch ihr Ding durchziehen. 
Emilia: Ich denke, sie schätzt es, wenn sich Personen, im Laufe der Zeit weiterentwickeln und ist bemüht, sie dabei zu unterstützen. 
Henry: Oder ein Weichei aus einem zu machen. 
Luise: Ich finde, das steht dir gut. 
Liam: Allerdings kann sie ganz schön ungeduldig werden, wenn es nicht so läuft, wie sie sich das vorstellt. Mir hat sie ganz schön Dampf gemacht, als ich so rumgeeiert habe. 
Luise (zieht die Augenbraue hoch): Komm schon, geschadet hat es dir nicht. 
Liam: Brummt vor sich hin 
Sophie: Sie ist im Laufe der Zeit zu einer guten Freundin geworden, die alles tun würde, damit es uns gut geht. 
Emilia: Wir können uns über unsere Autorin nicht beklagen, wir sind alle von ihr mit einer tiefgründigen, sympathischen Persönlichkeit ausgestattet worden. 
Raphael: Ach ja? Henry, den Weiberhelden hat sie dabei wohl vergessen. 
Luise: Das verdeutlicht nur, dass du ihn nicht so gut kennst, wie ich und Anja. 
Henry: Ich befürchte auch, dass sie uns zu gut kennt. 
Emilia: Wie hätte sie sonst so wunderbare Geschichten über uns schreiben können? 
Wann stand die Idee eine Reihe zu schreiben? Stand es von vornherein fest, dass es ein Mehrteiler wird, oder haben die Protagonisten ein Eigenleben entwickelt?
Zu Beginn sollte es ein Einzelband werden, da ich zuvor noch nie eine Reihe geschrieben habe. Aber während des Schreibprozesses wurde schnell klar, dass Luise und Henry ihre eigene Geschichte bekommen müssen und dann entstanden neue Ideen, wie die Reihe weitergehen könnte.
Wann kamen die Titel? Standen die im Vorfeld schon fest, oder entwickelten sie sich im Laufe des Schreibprozesses? 
Nein, die Titelsuche kommt zum Schluss. Zwar bekommt jedes Manuskript einen Arbeitstitel, aber bis auf beim 3. Teil wurden sie im Nachhinein geändert.
Wer ist denn der Coverdesigner? 
Die wundervolle Loredana Bursch von LoreDana Arts.
Bist du mit deinen Covern zu 100% zufrieden, oder würdest du nachträglich noch etwas ändern wollen? 
Ich finde sie wunderschön, romantisch, passend zu den Geschichten und aufeinander abgestimmt.
Zum Abschluss würden mich noch deine Lieblingszitate aus den Büchern interessieren. 
Ihm war klar, dass nur Emilia es schaffen würde, aus dem Chaos ein perfektes Drehbuch zu gestalten. Sie würde die besten Seiten herausgreifen und die anderen, schlechten und ungeliebten einfach verbrennen. Emilia würde keinen neuen Menschen aus ihm machen. Nein, sie würde einfach die guten Dinge in ihm zum Leben erwecken, die er sich nie getraut hatte, offen zu zeigen. Es wäre die erste Rolle, die er nicht mehr spielen würde, sondern die er einfach nur sein durfte. 

Ihre Verunsicherung wehte wie eine leichte Meeresbrise zu ihm herüber. Was dazu führte, dass es ihm schwerfiel, seinen Ärger auf sie aufrechtzuerhalten. Andererseits wollte er gar nicht nett zu ihr sein. Er war nicht nett zu Frauen. Klar ausgedrückt, er verhielt sich Frauen gegenüber wie ein Arschloch und konnte damit ganz gut leben. 

Sie musste sich erst einmal sammeln, um vernünftige Worte zu formulieren. Die Buchstaben wirbelten wild durch ihr Gehirn und ließen sich nicht bändigen. Sie wollte nicht als Idiotin vor ihm stehen. Genauso kam sie sich vor, als er ihre Hand hielt und sie ihn anschwieg. 

Es war als erlebte sie zwei unterschiedliche Personen. Die eine, der sie am liebsten die Flasche Rosé an den Kopf geworfen hätte und die andere, die es schaffte, tief in ihrem Inneren etwas zum Vibrieren zu bringen. Die zarten Saiten einer Geige erklangen, sobald sie sich an sein warmherziges Lächeln erinnerte, als er sie wiedererkannte. 
Danke für das Gespräch.
Vielen Dank für deine Mühen. Mir hat es viel Spaß gemacht. 

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