Sonntag, 13. September 2020

[Schnipseltime] Unerwartet Du von Sandra Schmitt

 


Ich war froh, dass sie wieder lachten und strahlten. Die Krise war für den Moment abgewandt. Doch es würde nicht die Letzte bleiben, das wusste ich.

»Geht schon mal in die Küche, ich komme gleich zu euch«, meinte ich, als es an der Haustür klingelte.

Als ich Bryan erblickte, überlegte ich angestrengt, ob wir für heute etwas ausgemacht hatten.

»Du hast es vergessen, oder?«, wollte er lachend wissen.

»Ich glaube, ja«, gab ich zerknirscht zu und fuhr mir mit der Hand durch die Haare.

»Du wolltest doch, dass ich heute vorbeikomme, um den Spielturm zu reparieren.«

»Oh verdammt!« Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn.

»Komm rein, ich hab es wirklich vergessen. Entschuldige. Aber hier war wieder so viel los«, ich seufzte und schloss die Tür hinter Bryan.

»Wo ist Conor?«

»Bei meiner Nachbarin Mel. Sie ist seine Stammbabysitterin.«

»Du hättest ihn ruhig mitbringen können.«

»Wollte ich«, sagte Bryan. »Aber er hat sich mit Kuchen bestechen lassen. Da kommt er ganz nach mir. Bei Kuchen können wir beide nicht »Nein« sagen.«

»Gut zu wissen. Ich kann dir gerade leider nur Kekse und Kaffee oder Eistee anbieten.«

Das mit dem Kuchen werde ich mir für das nächste Mal merken.

»Kekse gehen auch. Und Kaffee wäre toll.«

»Wunderbar. Dann setz dich kurz zu den Kindern, ich bin gleich bei dir.«

Ich massierte mir den Nacken, während ich darauf wartete, dass der Vollautomat seine Arbeit tat. Wie hatte ich nur vergessen können, dass Bryan heute kommen wollte? Mann war das peinlich. Ich konnte nur froh sein, dass er das Chaos von vorhin nicht mitbekommen hatte.

»Hier bitte. Ich hoffe, dass die Kinder dir ein paar Kekse übrig gelassen haben.«

»Alles gut. Ich weiß mich zu verteidigen.« Kaum ausgesprochen, stopfte er sich einen kompletten Keks in den Mund.

»Mum hat immer noch einen geheimen Vorrat, den sie vor uns versteckt, damit sie die Kekse ganz für sich allein hat.«

»Aber nur, weil ich nie etwas abbekomme und ihr alles allein esst«, verteidigte ich mich schnell.

Mist, ich war aufgeflogen.

»Wir Eltern müssen das so machen. Immerhin sind eure Kekse so lecker«, stimmte mir Bryan zu. »Ich mache das genauso. Nur weiß Conor das noch nicht.«

Er blickte zu Hollie, beugte sich zu ihr herunter und sah ihr tief in die Augen, während sie ihre Stirn krauszog. Es war ein tolles Bild, welches mir das Herz aufgehen ließ. Was auch immer hier mit mir passierte, war nicht gut für mich.

»Das bleibt unser Geheimnis, okay?«

Mit ernstem Gesicht nickte sie. »Okay.«

»Fingerschwur?«

Sie hoben beide die Hände, hakten ihre kleinen Finger ineinander und schlossen somit ihren Pakt.

»So. Wer will mir beim Reparieren helfen?«

»Darf ich den Hammer halten?« Killian sah Bryan aus großen Augen an.

»Darfst du. Wenn du mir versprichst, vorsichtig damit zu sein.«

»Riesengroßes Indianerehrenwort«, versprach mein Sohn und sprang förmlich von seinem Stuhl herunter.

»Ich will auch mit«, ließ Hollie uns wissen und lief ihnen hinterher.

Ich blieb noch einen Moment sitzen und beobachtete die drei im Garten.

Irgendwas war da zwischen mir und Bryan, seit wir den einen Nachmittag miteinander verbracht hatten. Unser Verhältnis war anders. Besser. Einerseits gefiel es mir, andererseits machte es mir ein wenig Angst.

Ja, da waren Schmetterlinge, wenn ich ihn ansah oder wenn er mich anlächelte. Eine zufällige Berührung fühlte sich an, als würde sie mich unter Strom setzen und ich war unglaublich gerne mit ihm zusammen. Die Kinder mochten ihn auch.

An sich könnte alles perfekt sein.

Aber da war noch mein Mann. Das Problem war, je mehr ich mit Bryan zusammen war, desto eher vergaß ich Tristan. Mein Mann machte es mir auch einfach, nicht mehr allzu oft an ihn zu denken. So rar, wie er sich machte. Doch war das eine Rechtfertigung dafür, mich zu einem anderen hingezogen zu fühlen?

Ich hatte immer gedacht, Tristan wäre der Mann, mit dem ich alt werden, und mit dem ich im Alter gemütliche Abende vor dem Kamin verbringen würde. Doch ich konnte nicht leugnen, das da romantische Gefühle für Bryan waren. Das lag nicht nur daran, dass er groß war und ein paar Muskeln an den richtigen Stellen hatte. Es war einfach seine ganze Art, die mich in ihren Bann zog.

Allein die Tatsache ihn mit Conor oder meinen Kindern zu beobachten, ließ mein Herz flattern. Er war einfach der geborene Papa. Und es tat Hollie und Killian gut, Zeit mit ihm zu verbringen. Er schaffte es, sie, genauso wie mich, erfolgreich abzulenken.

Das Schlimmste war, mir einzugestehen, dass meine Ehe unwiderruflich am Ende war.

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