War es jemals vorher
schon so heiß gewesen? Das Fenster stand weit offen, doch drang kein einziger
Luftzug herein. Nur weitere Hitze erfüllte den Raum. 23.30 Uhr. Im Radio lief Vermissen
… Ich musste an Chiara denken. Wir kannten uns seit zwei Jahren, hatten
jeweils im Herbst abenteuerliche Reisen miteinander verbracht. Auf Einladung
jenes geheimnisvollen, alten Mannes: A. S. Tory. Wohnhaft in London, mit
Wurzeln in Italien und Wien, 1938 aus Berlin geflüchtet, Verfasser rätselhafter
E-Mails, die mich gleich zweifach auf Roadtrips geschickt hatten.
Das zwischen Chiara und
mir war weit entfernt vom Liedtext. Dieses Gefühl, sie zu vermissen, dennoch
vorhanden. Wir schrieben uns regelmäßig, bislang war leider unklar, wo und wann
wir uns wiedersehen würden.
Sommerferien. Die elfte
Klasse hatte ich geschafft. Nicht besonders gut, aber immerhin. Chiara war
erfolgreicher, getrieben von dem Wunsch, Kunst zu studieren. Bereits jetzt
stellte sie Zeichnungen für ihre Bewerbung zusammen.
Eine Woche zuvor hatte
uns Papa besucht. Mein Vater, der Aussteiger, wollte seinen Traum, in Kanada zu
leben, nicht mehr aufgeben. Mama hatte sich damit abgefunden und endlich
ebenfalls ein neues Leben angefangen. Seit dem Frühjahr gab es jemanden Neues
an ihrer Seite. Mein Bruder Ferdi tat sich damit schwer, ich fand den Typ ganz
okay. Dass Mama jetzt häufiger unterwegs war, gab mir mehr Freiheiten. Nachdem
ich ihr alles rund um A. S. Tory erzählt hatte, war ihre Meinung zu ihm
überraschend milde und verständnisvoll ausgefallen und sie versuchte mich nicht
mehr wie im Vorjahr ständig zu kontrollieren.
Gerade erstickten mich
jedoch die Langeweile und die dreißig Grad am späten Abend in gleicher Weise.
Weder das Buch, das ich gerade las, noch das PC-Spiel konnten das ändern.
Ich beschloss, kalt zu duschen. Das Wasser rieselte auf meinen Kopf und brachte zumindest kurzfristig etwas Abkühlung. Als ich zurück in mein Zimmer kam, leuchtete mein Handy auf. Ich schnappte es mir und starrte auf die Zeilen. Eine Nachricht von Chiara! Drei Worte …
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