Sonntag, 11. Oktober 2020

[Schnipseltime] A.S.Tory und der letzte Sommer am Meer von S. Sagenroth

 

 1. Hannover

Dienstag, 23. Juli 2019

War es jemals vorher schon so heiß gewesen? Das Fenster stand weit offen, doch drang kein einziger Luftzug herein. Nur weitere Hitze erfüllte den Raum. 23.30 Uhr. Im Radio lief Vermissen … Ich musste an Chiara denken. Wir kannten uns seit zwei Jahren, hatten jeweils im Herbst abenteuerliche Reisen miteinander verbracht. Auf Einladung jenes geheimnisvollen, alten Mannes: A. S. Tory. Wohnhaft in London, mit Wurzeln in Italien und Wien, 1938 aus Berlin geflüchtet, Verfasser rätselhafter E-Mails, die mich gleich zweifach auf Roadtrips geschickt hatten.

Das zwischen Chiara und mir war weit entfernt vom Liedtext. Dieses Gefühl, sie zu vermissen, dennoch vorhanden. Wir schrieben uns regelmäßig, bislang war leider unklar, wo und wann wir uns wiedersehen würden.

Sommerferien. Die elfte Klasse hatte ich geschafft. Nicht besonders gut, aber immerhin. Chiara war erfolgreicher, getrieben von dem Wunsch, Kunst zu studieren. Bereits jetzt stellte sie Zeichnungen für ihre Bewerbung zusammen.

Eine Woche zuvor hatte uns Papa besucht. Mein Vater, der Aussteiger, wollte seinen Traum, in Kanada zu leben, nicht mehr aufgeben. Mama hatte sich damit abgefunden und endlich ebenfalls ein neues Leben angefangen. Seit dem Frühjahr gab es jemanden Neues an ihrer Seite. Mein Bruder Ferdi tat sich damit schwer, ich fand den Typ ganz okay. Dass Mama jetzt häufiger unterwegs war, gab mir mehr Freiheiten. Nachdem ich ihr alles rund um A. S. Tory erzählt hatte, war ihre Meinung zu ihm überraschend milde und verständnisvoll ausgefallen und sie versuchte mich nicht mehr wie im Vorjahr ständig zu kontrollieren.

 

Gerade erstickten mich jedoch die Langeweile und die dreißig Grad am späten Abend in gleicher Weise. Weder das Buch, das ich gerade las, noch das PC-Spiel konnten das ändern.

Ich beschloss, kalt zu duschen. Das Wasser rieselte auf meinen Kopf und brachte zumindest kurzfristig etwas Abkühlung. Als ich zurück in mein Zimmer kam, leuchtete mein Handy auf. Ich schnappte es mir und starrte auf die Zeilen. Eine Nachricht von Chiara! Drei Worte …

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