Buchvorstellung einmal anders
Heute ist ein komischer Tag 😊 Nach dem Autoreninterview drückt mir Jennifer ihren Kindle in die Hand und verlässt einfach das Zimmer. Da mir das schon öfter passiert ist in letzter Zeit, erahne ich, was da kommen wird.
Ich drehe den Kindle hin und her und öffne schließlich das Buch der Autorin „Verschnitt“, um schon ein bisschen hineinzulesen. Nach einigen Minuten höre ich ein feines Stimmchen: »Jetzt ist sie weg, dann interview einfach mich, deshalb bin ich ja da!«
Ich lache laut auf, denn ich liebe es mit Büchern zu reden und wer weiß neben dem Autor am meisten über das Buch? Vermutlich das Buch selbst. Also, dann lege ich mal los. 😊
Hallo, danke, dass du heute Zeit gefunden hast, um mit mir zu reden.
Gerne! Endlich spricht mich mal jemand direkt an.Kannst du dich meinen Lesern vorstellen? Vielleicht in eigenen Worten, da die Leser den Klappentext auf der Verkaufsplattform lesen können?
Auf jeden Fall bin ich recht mysteriös. Ehrlich gesagt, habe ich selbst lange gebraucht, um hinter die Eigenheiten und den fragwürdigen psychischen Zustand meiner Protagonistin Liane zu kommen. Trotzdem bin ich natürlich auf ihrer Seite. Schließlich möchte sie dem skrupellosen verrückten Professor das Handwerk legen.In deinem Inneren spielt sich ja so einiges ab, die in dir enthaltenen Charaktere erleben so einiges. Da du ja auch viel mit der Autorin zusammenarbeiten musst, kannst du uns vielleicht beantworten, ob es ihr leichter fällt sie durch einfache, schöne oder schwierige, düstere Zeiten und Situationen zu führen?
Die Autorin hat mich ja schon 2015 angefangen. In dem Jahr begann ihre Recherche. Sie hat viel über Intersexualität gelernt, hatte mit Betroffenen zu tun und bekam viel Unterstützung. Mit zunehmender Zeit fiel es ihr immer schwerer, die schwierigen und düsteren Szenen zu schreiben. Es wurde aber auch immer wichtiger. Das weiß ich, weil sie so viel überarbeitet hat und ich von einigen Testlesern gelesen wurde.Hast du eine Lieblingsstelle, die du uns gerne vorstellen würdest?
„Jasmin, sag dem Mann bitte, wer die Made to Move Barbie unbedingt haben wollte.“„Ich habe die mir gewünscht“, murmelte das Mädchen zu ihren Schuhen.„Und was hast du zum letzten Geburtstag bekommen?“ Keine Antwort. „Na, worauf war Nikola so neidisch?“„Ach so, ja, jetzt weiß ich‘s. Auf meinen elektrischen Bagger.“Lutz dämmerte langsam, worauf das Ganze hinauslief. Er schaute das Mädchen mit großen Augen an. „Du spielst also gern mit Jungsspielzeug?“„Wieso denn Jungs? Jeder darf mit Autos spielen. Auch Prinzessinnen.“„Du bist also eine Prinzessin?“Die Mutter lachte leise.„Naja, nicht in echt. Aber irgendwie schon, ja.“Plötzlich war es ihm gar nicht mehr unangenehm, mit dem Mädchen zu sprechen.„Ziehst du denn auch gerne diese rosafarbenen Sachen an?“„Klar! Guck mal, ich seh mit meinen Zöpfen sogar aus wie Elsa.“Das Mädchen zeigte auf ihre Jacke. Als Lutz fragend die Augenbrauen hob, setzte sie hinzu: „Kennst du etwa Die Eiskönigin nicht?“
Weißt du wie viel Jennifer tatsächlich in dir oder auch in dem ein oder anderen Charakter steckt?
Ich glaube, eher wenig. Natürlich geben die Autoren uns Büchern immer etwas mit. Ich habe aber das Gefühl, dass Jennifer für meine Geschichte versucht hat, sich in andere Situationen und Personen hineinzudenken, sodass nur wenig Platz für sie selbst war.Wie würdest du oder ihre Charaktere / Protagonisten / Antagonisten / Nebendarsteller die Autorin beschreiben?
Wie seid ihr eigentlich zum Titel gekommen? Stand der schon im Vorfeld fest oder hat er sich im Laufe des Schreibprozesses verändert? Hattest du viel Mitspracherecht?Ich als Buch finde sicher nicht jede Seite von Jennifer Hauff super. Wer findet schon seinen „Macher“ perfekt? Es hat mich schon ein bisschen aufgeregt, wenn sie ein und denselben Satz zehn Mal umschreiben musste, um ihn am Ende doch noch ganz zu löschen.Liane findet sie ein bisschen zu ehrlich, schließlich hat sie alle Aspekte ihrer Persönlichkeit ziemlich gnadenlos in die Öffentlichkeit getragen.Mein Antagonist Professor Gelders hat natürlich eine eindeutige Meinung zu ihr. Er findet, es sei ein Verbrechen, „seine Arbeit für die Wissenschaft“ dermaßen in den Dreck zu ziehen. (Wobei wir bei seinen Menschenexperimenten wohl nicht diskutieren müssen.)Alice ist natürlich ein Fan von mir. Sie findet es ziemlich cool, dass endlich mal jemand ein Buch über diese unnötigen Operationen schreibt, mit denen Leben zerstört und die Persönlichkeitsrechte unschuldiger Kinder verletzt werden.
Anfänglich hieß ich mal kurz „Gott in weiß“. Den finalen Titel hat mir Jennifer verraten, als ich ungefähr halb geschrieben war. Sie hat ihn mir gegeben, wie man einem Kind einen Namen gibt. Also habe ich mir nie Gedanken gemacht, ob er wirklich zu mir passt. Erst als einige Leute behaupteten, dass ich gar nicht anders heißen dürfe, weil das mein perfekter Name sei, wusste ich, wie zufrieden ich damit sein kann.Bist du zu 100% zufrieden mit deinem Cover / Outfit oder würdest du nachträglich gerne etwas ändern wollen?
Zu 100% zufrieden! Ich könnte mir kein besseres Outfit vorstellen. Allerdings ist es schon ein bisschen tragisch, dass Puppen oft mit Horror assoziiert werden. Ich bin natürlich kein Horrorbuch.Kannst du uns vielleicht auch schon verraten, ob die Autorin viele echte Plätze eingebaut hat oder ob die Orte im Buch der Fantasie entspringen?
Das Buch spielt in Frankfurt am Main und die Schauplätze gibt es wirklich. Natürlich sind konkrete Wohnungen und auch die Klinik erfunden. Aber die Orte, an denen sie sind, die gibt es.Eine weitere Frage, die mich brennend interessiert, ist: Warum hat sich deine Autorin dieses Grundthema ausgesucht? War sie selbst schon einmal in der Situation, dass sie so etwas erlebt hat oder hat es euch einfach nur brennend interessiert, wie es zu so einem „Verhalten“ kommen kann?
Zum Abschluss würde mich noch dein Lieblingszitat aus dem Buch interessieren.Jennifer hat ein Buch über die Lebensgeschichte David Reimers gelesen („Der Junge der als Mädchen aufwuchs“ von John Colapinto).Darin hat sie viel über Dr. John Money und seine haarsträubenden Theorien erfahren, die auch die Grundlage für die Operationen an intersexuellen Kindern bis in die heutige Zeit sind. Die Grundidee für meine Geschichte war schon da, bevor die eigentliche Recherche begann.
Nun betritt die Autorin wieder das Zimmer und blickt mich ungläubig an. Scheinbar ist es selbst in Autorenkreisen nicht üblich, dass das Buch antwortet. Leise flüstere ich dem Buch noch zu: »Danke für das Gespräch, es hat mir großen Spaß gemacht.«„Es ist nicht Liebe, die aus Wahrheit ein Geheimnis macht. Es ist Angst!“Und wenn ich ein Zitat nennen darf, das nicht von Jennifer Hauff stammt, dann ist es natürlich das von Dr. Milton Diamond: „Nature loves variety, unfortunately society hates it.“
Dann wende ich mich der Autorin zu. »Alle meine Fragen sind beantwortet, ich danke dir für den sehr interessanten Tag bei dir.«
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