Sonntag, 19. September 2021

[Schnipseltime] Sonia - Die Tochter des Erschaffers von Petra Grell

 


Sonia nickte und bahnte sich ihren Weg zwischen den Sträuchern, um in die Mitte des Hauses zu gelangen. Dort kniete sie sich hin, legte ihre Handflächen in den Schnee und schloss die Augen. Peter stand neben ihr und beobachtete, wie sich die Ruine, welche früher ein herrschaftliches Haus gewesen war, veränderte. Dadurch, dass Sonia ihm das ihr Sichtbare in Gedanken übertrug, konnte er wie durch ihre Augen sehen. Das Feuer entfachte und das Gebäude wuchs und wuchs bis zu seiner vollen Pracht und ohne verschlingende Flammen. 

Als sie die angenehme Wärme um sich fühlte, öffnete Sonia ihre Augen und stand auf. Das Haus war zwar groß aber genauso ärmlich eingerichtet, wie das, wo sie das kleine Mädchen gesehen hatte. Nur die Küche war etwas größer und die Räume waren durch richtige Wände getrennt. Aus dem Nebenraum kam ein leises Kichern und so entschieden sich die beiden dort nachzuschauen. Der Raum entpuppte sich als Schlafzimmer. Auf dem Bett lagen ein Mann und eine Frau nackt und eng umschlugen. Sie unterhielten sich gerade. 

»Marienne, du bist so wunderschön, ich werde nie aufhören dich zu lieben.« 

»Mein lieber Thomas, wie viele Frauen dies wohl schon gehört haben?« 

»Keine von ihnen war so wunderschön, wie du!« 

Die Frau lächelte ihn an. »Kannst du dich noch erinnern, worum ich dich gebeten habe?« 

Thomas setzte sich hin und schaute sie hart an. Ein undefinierbarer Gesichtsausdruck verscheuchte alle Liebe aus seinem Gesicht. »Ich konnte nicht. Das ganze Dorf schaute zu und du weißt: Als Bürgermeister muss ich das Richtige tun.« 

Marianne würgte hervor: »Was habt ihr getan?!« Sie keuchte und vor Zorn wurde ihre Stimme gepresst. »Sie war meine Schwester, keine Hexe!« Sie setzte sich auf und wandte sich von dem Mann ab. 

»Wir haben getan, was auch immer nötig war. Das Haus dürfte schon vollständig abgebrannt sein.« 

Ein Aufblitzen in ihren Augen verriet den lodernden Hass und Marienne drehte sich wieder zu ihm. Sie schrie so laut auf, dass sich Sonia und Peter die Ohren zuhalten mussten. Aus Thomas Augenwinkeln sickerte Blut. Er spürte es, wischte es ab und schaute sich völlig schockiert seine Finger an. Ungläubig sah er seine Geliebte an. Diese war nicht mehr so wunderschön wie noch vor ein paar Sekunden. Ihr Gesicht nahm dämonische Züge an, ihre Haut wurde grau und ihre Fingernägel lang, schwarz und spitz. 

»Du hast die falsche Hexe getötet, mein Lieber!«, dröhnte die dunkle Stimme aus ihrem Mund. »Und jetzt wirst du leiden, genauso wie meine Schwester leiden musste.« 

Eine unsichtbare Macht hielt Thomas regungslos an das Bett gepresst und seine panischen Schreie wurden zu stummen Mundbewegungen. Marienne schnitt mit ihren langen Fingernägeln in seine Haut, die sie Stück für Stück abriss. An seinen Augen, die blutunterlaufen waren, konnte man die unglaublichen Qualen erkennen, die er litt. 

Ihre Folter beendete sie, indem sie ihm mit der bloßen Hand die Rippen brach und das Herz heraus riss. Unmittelbar danach veränderte sich ihr Aussehen wieder und vor ihnen stand Marienne in ihrer menschlichen Gestalt, in der Hand das blutige Herz haltend. 

Die Hexe ließ achtlos das Organ fallen, ehe sie sich umdrehte. Sonia und Peter folgten ihr vor die Haustür, vor der sie stehen blieb. Zwischen ihren Händen erglühte eine Flamme, die sie in das Hausinnere warf. Dann versiegelte sie magisch die Tür und wandte sich ab. Mit Tränen in den Augen aber einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht lief sie in die Richtung, wo das Haus ihrer Schwester stand. 

Das Haus des Bürgermeisters brannte lichterloh und Sonia brach die Verbindung ab.

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