Samstag, 18. September 2021

[Schnipseltime] Im Fokus der Vergangenheit von Juliane Schmelzer

 




„Empfindest du noch etwas für sie?“, fragte Joselyn auf einmal und Eric blieb stehen, drehte sich zu ihr herum und schaute nachdenklich auf seine Füße. Sie musste ihren Namen nicht erwähnen, er wusste es auch so. Er bedauerte, dass Claire irgendwie zwischen ihnen stand und wollte dies so schnell wie möglich ändern.

„Auf eine gewisse Art und Weise liebe ich sie wohl noch immer“, gestand er schließlich. „Und das wird wohl auch immer so bleiben.“

„Genug, um mit ihr zu schlafen?“

„Das ist vorbei“, sagte er schnell.

„Bist du dir da sicher?“ Joselyn merkte, dass er ernsthaft nachzudenken begann und setzte sich in Bewegung. Er folgte ihr.

„Ja, Jo, ich bin mir sicher. Ich hätte das Ganze schon vor langer Zeit beenden sollen, aber …“

„Aber?“, fragte sie und schaute zu ihm auf.

„Ich hatte bislang noch keinen Grund dazu.“

„Und jetzt hast du einen?“, fragte sie weiter. Sie waren inzwischen wieder am Revier angekommen und standen vor dem Haupteingang.

„Ich habe dir noch nichts von Drittens erzählt.“

„Ich höre.“ Sie lächelte und stemmte wieder die Hände in die Hüften, warf die Haare ein wenig zurück und wartete. Und in diesem Augenblick fiel ihr Blick auf einen Mann, der auf der anderen Straßenseite stand und sie beobachtete. Zunächst war sie sich nicht sicher, glaubte falsch gesehen zu haben, aber als sie noch einen Blick riskierte, war es klar. Joselyn merkte, wie ihr mit einem Mal ein Schauer über den Rücken lief und instinktiv ging sie in Deckung, indem sie auf Eric zutrat und ihn umarmte. Sie versteckte ihr Gesicht an seiner Brust und klammerte sich an ihm fest.

„Hey … so war das nicht gemeint“, stotterte er und wollte sie von sich wegschieben, doch sie hielt ihn weiter fest.

„Egal was du tust, Eric, aber dreh dich auf keinen Fall um“, flüsterte sie und spähte leicht über seine Schulter. Wie aus einem Reflex heraus, drehte er den Kopf, doch sie griff ihm mit beiden Händen an die Wangen und hielt ihn fest.

„Was ist denn?“, fragte er irritiert und sah sie an. Plötzlich spürte er, wie sie sich gegen ihn lehnte und ihn dann in Richtung Eingang schob. Er stolperte beinahe, als sie ihn die Treppen hinaufzog und hastig ihren Ausweis nach oben hielt. Die Schranke der Vereinzelungsanlage öffnete sich und sie sprang hindurch. Sie hielt erst inne, als sie sich sicher im Gebäude wusste. Eric, der ihr in einigem Abstand gefolgt war, schaute sie nun fragend an.

„Tut mir leid“, flüsterte sie und er sah Angst in ihren Augen stehen.

„Was, Jo? Was war los da draußen?“ Er deutete in Richtung Tür. Sie spähte durch die Scheibe, konnte ihn aber nicht mehr sehen. Ihre Hände waren eiskalt und ihr war schlecht vor Angst.

„Nichts. Schon okay. Ich dachte nur, ich hätte da jemanden gesehen.“

„Wen denn? Jo, du machst mir Angst?“ Er fasste ihre Arme und schüttelte sie leicht, versuchte ihren Blick einzufangen.

„Meine Vergangenheit“, sagte sie mit heiserer Stimme und eine einzelne Träne rollte ihre Wange hinab.

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