Buchvorstellung einmal anders
Claudia: Hallo, ihr beiden. Danke, dass ihr heute Zeit habt und für das Buch antwortet. Ich hoffe, wir haben Spaß und kommen alle lebend aus der Sache heraus.
Mari: Ich freue mich sehr, dass meine Rose persönlich zu Wort kommt. Sie kennt ihre Geschichte schließlich am besten und plaudert hoffentlich gern ein weiteres Mal aus ihrem morbiden Nähkästchen, ohne dass wir gleich Bekanntschaft mit ihrem Häcksler machen müssen.
Rose: Mögt ihr Whiskey? Ach nein, Mari trinkt lieber Gin. So oder so, zu einem guten Gespräch gehört ein guter Tropfen. Lasst uns trinken und beginnen, ich bin sehr gespannt.
Claudia: Ich hatte bereits ein langes Gespräch mit deiner Autorin, deshalb wäre es schön, liebe Rose, wenn du dich meinen Lesern vorstellen könntest.
Claudia: Rose, unter uns: Wie würdest du als Hauptprotagonistin deine Autorin beschreiben?Rose: Nun, mir schenkte das Leben lange Zeit nur Zitronen. Ich machte Limonade daraus. Bittersüße Limonade! Ich wurde im Vorort zur Hölle geboren, im Moloch der Chemiefabriken, zwischen Schwefel und Schwermetallen, Müll und menschlichem Abschaum. Mein Vater schwängerte mich das erste Mal, als ich elf war. Das letzte Mal mit siebzehn. Am Tag meiner Volljährigkeit fiel er in seinen Häcksler. Ganz aus Versehen, klar. Ich erbte seine Mülldeponie in Bitterfeld und erschuf mein eigenes Imperium. Ein durchaus lukratives und krisensicheres Geschäft. Grünzeug und bisweilen eine Leiche. Natürlich mache ich mir nicht selbst die Hände schmutzig, das ist längst schmutziger Schnee von gestern. Nein, mein Job besteht darin, die humanen Überreste sachgerecht zu entsorgen. Diskret und schnell. Früher tat ich das aus der Not heraus, heute bin ich die Grande Dame des Bio-Recyclings und lass mir den Aufwand fürstlich bezahlen. Da bin ich ganz Papas Tochter.
Mari: Und dafür liebe ich dich und für die Tatsache, dass du mich nach unserem Gespräch auf Mallorca am Leben gelassen hast. Ich weiß nur zu gut, dass du keine Zeugen gebrauchen kannst, denn die lästigen Schnüffler sind allemal schlecht fürs Geschäft. Wie geht es dir auf Mallorca und was macht die Liebe?Rose: Liebe ... ein furchtbar pathetischer Begriff. Ich fühle mich tatsächlich immer noch unwohl, so etwas wie Liebe zu empfinden oder zu empfangen. Aber seit ich Mutter bin, ticken auch meine Uhren irgendwie anders. Rose Junior ist ein Goldstück. So ganz anders als ich und doch meine Tochter, eigentlich sogar ein Wunder. Denn ich ließ mir damals in Polen nicht nur die Möpse machen, sondern mich auch sterilisieren. Als ich dann wider Erwarten schwanger wurde, dachte ich, das Schicksal wollte mich verarschen. Doch dann nahm ich es an. Das Schicksal, nicht Roberts Heiratsantrag. Ich bin Geschäftsfrau, unabhängig und frei von Verpflichtungen.Mari: Erzähle doch bitte Claudias Lesern, wer Robert ist.Rose: Wie? Ich dachte, die halbe Welt wüsste bereits von mir und dieser leidlichen Romanze? Also schön ... Robert ist ein Schatz. Wir lernten uns unter widrigen Umständen kennen. Er selbst ist alles andere als normal, weshalb ich auch mein Herz für ihn öffnete. Seine Art und sein Beruf passen zu mir wie blühende Rosen in den Mai. Allerdings bedeutet das noch lange nicht, dass ich mein Leben nach ihm ausrichte. Er trägt mich auf den sprichwörtlichen Händen, und solange mir das nicht langweilig wird, darf er das auch gern tun. Letztlich weiß er um seinen Sonderstatus, denn Robert ist tatsächlich der Einzige, den ich so nah an mich heranlasse. Bisher waren Männer für mich ein notwendiges Übel, bestenfalls Mittel zum Zweck.Mari: Hast du eine Lieblingsstelle im Buch?Rose: Oh, lass mich überlegen. Ich mag das komplette Buch, sonst würden wir hier nicht sitzen. Wartet ... ah, ja. Eine meiner Lieblingsstellen ist die, wo ich all meinen Unmut über das Kinderkriegen von mir gebe. Die Szene im Geburtsvorbereitungskurs ist wunderbar gelungen und auch die im Kreißsaal, aber am liebsten mag ich diese hier:»Mein Robert bestand darauf, bei der Geburt anwesend zu sein. Und nicht nur das. Er wollte das volle Programm und genau damit begann schließlich jenes Drama, von dem ich eigentlich berichten wollte. Wissen Sie, wie viele Möglichkeiten es heutzutage gibt, ein Kind auf die Welt zu bringen? Die spinnen doch alle! Meine Hebamme fragte mich allen Ernstes, in welcher Position ich gebären möchte.MÖCHTE!Von Freiwilligkeit kann man hier wohl kaum sprechen. Ich habe tatsächlich einen kompletten Tag investiert, mich auf diesen normalsten Vorgang seit Menschengedenken vorzubereiten. Was unsere Vorfahrinnen mal eben auf dem Feld oder am Herd erledigt haben oder ich sechs Mal in meinem Kinderzimmer, gehört in diesen abgefuckten Zeiten zum Lifestyle. Nur meinem Robert zuliebe habe ich mich in der Geburtsklinik stundenlang all diesem Blödsinn über die Freuden der Geburt gewidmet. Ich sollte mich tatsächlich zwischen Gebärhocker, Schaukel, Wanne oder klassischer Liegeposition entscheiden und mir dann auch noch etwas über Stresshormone während der Geburt anhören, die sich auf das Kind übertragen. Welch’ ein Irrsinn!Mir riss dann schließlich der Geduldsfaden. Erst brüllte ich meinen Unmut heraus, dann fragte ich völlig fertig nach einer Zigarette oder wenigstens einem winzigen Schluck Whiskey. Sie hätten die entsetzten Gesichter der im Babywahnsinn gefangenen Frauen sehen sollen! Als dann auch noch eine dieser völlig durchgeknallten Weiber begann, über die schädigende Wirkung von Nikotin und Alkohol zu schwadronieren, reichte es mir. Meine Frage nach einer Kippe war doch lediglich eine Schutzhemmung, aber davon wollte diese blöde Kuh natürlich nichts wissen. Ich brüllte schließlich ein weiteres Mal durch die Klinik, dass nicht die Geburt stressig sei, sondern jenes Tamtam, was darum veranstaltet wird.«Rose: Diese Szene war wirklich auf den Punkt. Deshalb will ich gern eine Frage an meine Autorin stellen: Wie viel echte Mari steckt in dem Buch?Mari: Sehr viel. Nicht alles davon ist natürlich real. In der Fiktion gebe ich mich der Freiheit hin, alles sagen und tun zu dürfen, was mir in der wirklichen Welt die Konventionen verbieten. Meine Charaktere sind also quasi wie ich, nur fieser. Sie spiegeln meine dunkle Seite und letztlich die unserer Gesellschaft. Meine Protagonisten kämpfen stellvertretend für mich im alltäglichen Wahnsinn, den wir Leben nennen, für die Anerkennung des Andersseins, der ver-rückten Wahrheiten und das Hinterfragen von gesellschaftlichen Normen und persönlichen Zwängen.
Rose: Sie ist wie ich, nur nicht so fies. Wir haben tatsächlich viele Gemeinsamkeiten, wenngleich in unterschiedlichem Maße. Mari ist kompromisslos ehrlich, sie bringt Dinge auf den Punkt, polarisiert. Ihre Zunge ist messerscharf – genau wie ihr Verstand. Sie verliert sich nicht in Belanglosigkeiten, kämpft für ihre Ideale und ist dabei durchaus liebenswert – auf ihre ganz spezielle Art.
Claudia: Wann kam die Idee zum Titel? Stand der schon im Vorfeld fest oder hat er sich im Laufe des Schreibprozesses verändert? Hattest du, Rose, vielleicht sogar Mitspracherecht?
Rose: Natürlich hatte ich Mitspracherecht, es ist schließlich meine Geschichte. Mari besuchte mich auf Mallorca, hier sprachen wir über das EASTEND und die Schattenseiten des Autorenlebens. Gemeinsam beschlossen wir, meine komplette Geschichte zu erzählen und ihr Anfang 2020 ein hübsches neues Kleid zu schenken. Ich liebe das aktuelle Cover, es passt perfekt zu mir.
Mari: Das stimmt. Ich mag das Cover jetzt auch. Beim ersten Versuch tat ich mich schwer, was gleich mehrere Ursachen hatte. Eine davon war, dass Rose schlichtweg zu böse ist, um mit einem realen Gesicht zu werben, wie ich es beispielsweise bei meiner PSYCHOPAT getan habe. Und da meine Rose aus nachvollziehbaren Gründen nicht selbst aufs Cover wollte, ist es nun dieser verführerische Mund.
Claudia: Man spürt genau, dass ihr beide auf einer Wellenlänge seid. Danke, dass ihr uns ein paar Einblicke ermöglicht habt. Und Rose möchte ich danken, dass ich nicht zu Rosendünger verarbeitet werde. Es war mir ein Vergnügen, Realität und Fiktion zu verknüpfen. Rose und weitere wunderbare Geschichten von Mari März findet ihr bei Amazon und in ihrem MM-Shop unter www.mari-märz.de.Mari: Nun, ich sehe es ähnlich wie Rose. Ich liebe im Grunde jede Stelle im Buch, sonst würden wir hier nicht sitzen. Aber besonders mag ich die Szene im Geburtsvorbereitungskurs:
»Diese hormongedopten Mastkühe taten so, als wären sie allesamt nymphoman, nur weil sie plötzlich willens waren, es sich öfter als einmal pro Woche besorgen zu lassen. Ein Elend ist das!Eine von denen musste ich tatsächlich aufklären, dass nicht nur ihr Ehemann dazu in der Lage sei. Okay, dieser Schnösel stand direkt daneben, als ich darüber lamentierte, welch vielfältigen Alternativen es doch in punkto Sex gäbe. Die Sache mit den Dildos fand er noch recht interessant, als ich dann aber von Sex-Toys zu Toy-Boys überging, klappte ihm erst der Unterkiefer herunter und kurz darauf wohl auch das sprichwörtliche Messer in der Hosentasche auf. Noch in der Pause verließ er mit seinem heulenden Weibchen den Vorbereitungskurs, und das war dann wohl auch der Grund für die Leiterin, mich nach der Stunde hinauszukomplimentieren. Dabei wollte ich nur helfen!«
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