Dienstag, 14. April 2020

[Buchvorstellung einmal anders] Psycho-Pat von Mari März


Buchvorstellung einmal anders 

Heute treffe ich mich mit den Protagonisten Patrizia Fischer aus „Psycho-Pat“ und deren Autorin Mari März.
Claudia: Hallo, danke, dass ihr heute Zeit habt und für das Buch antwortet. Würdet ihr euch vielleicht gegenseitig interviewen?

Mari: Liebe Pat, wie geht es dir, nachdem du in Dänemark in dunkle Abgründe blicken musstest?

Pat: Nun, wer den Meeresgrund gesehen hat, fürchtet sich nicht mehr vor Pfützen. Dänemark war ein harter Trip, der härteste bisher. Aber es ist noch nicht vorbei. Die alten Geister lauern in der Dunkelheit und streben zum Licht.
Mari: Was meinst du, geht deine Geschichte weiter?
Pat: Vielleicht, ja. Die Vergangenheit ist noch nicht fertig mit mir. Seit knapp zwei Jahren wohne ich bei meinem Bruder Alex in Berlin. Aber das stete Leben ist nichts für mich, die Langeweile frisst mich auf. Jene alten Briefe, die mir Alex damals in die Psychiatrie schickte, haben etwas in mir ausgelöst. Die Lawine kommt ins Rollen ... Ich werde mich noch einmal in die Dunkelheit begeben, tiefer vordringen in meine Erinnerungen. Vielleicht gelingt es mir, endlich mit der Vergangenheit abzuschließen. Ich habe da schon einen Plan ...
Claudia: Wow! Das klingt spannend. Doch für alle, die dich noch nicht kennen, wäre es toll, wenn du dich vorstellen könntest.
Pat: Sehr gern. Danke, dass ich heute dabei sein darf. Mein Name ist Patrizia Fischer. Einst war ich ein weltbekanntes Supermodel, Star des Catwalks, Partyqueen, Sexbombe. Ich fühlte mich wie die geilste Schnitte auf Gottes Planeten, bis das Licht der Scheinwerfer erlosch. Barbie ist kaputt. Ich bin Lithium-Pat. PSYCHO-PAT. Die einsamste Seele auf Gottes Planeten, emotional instabil, ausgeprägt promiskuitiv, bipolar affektiv und eine Meisterin der Verdrängung. Ich habe vergessen, wer ich bin. Deshalb brachte mich mein Bruder Alex nach Dänemark. Hier sollte ich mich der Vergangenheit stellen. Sie ist noch nicht fertig mit mir. Und ich fand sie – zumindest ein paar dunkle Bruchstücke. Während dieser Zeit lernte ich, dass alles möglich ist. Aber Mari ist besser im Beschreiben, also erzähle du doch bitte in wenigen Sätzen meine Geschichte.

Mari: PATs Geschichte ist sehr komplex, weshalb es mir schwerfällt, sie kurz und knapp zu erzählen. Aber ich will es versuchen. PAT ist anders. Schon als Kind war sie unartig, labil, ein nervöser Geist. Ihre Mutter wollte immer ein braves Mädchen und zahlte viel Geld für eine Therapie, die letztlich genau das Gegenteil bewirkte. Mit fünfzehn floh Pat vor ihrer Familie, ihrem Zuhause, aus ihrem Alltag, der von Medikamenten und zahlreich diagnostizierten Persönlichkeitsstörungen bestimmt war. Sie wurde ein weltbekanntes Model – zwischen Blitzlichtgewitter und den Schatten ihrer Vergangenheit. Es ist die Geschichte über ein Leben zwischen Manie und Depression, die polarisieren aber auch Mut machen soll, sich seinen Ängsten zu stellen.
Pat: Macht es dir Spaß, deine Protagonisten ein wenig zu quälen, sie in Situationen hineinzuwerfen, die schwierig sind? Warum nicht einfach und schön? Müssen Gefahren und Stolpersteine immer sein?
Mari: Nun, die besten Geschichten schreibt das Leben. Es gibt nicht immer nur Sonnenschein, Glanz und Gloria. Die Glitzerwelt ist eine Illusion, die sich nur allzu gern im kalten Windzug der Realität ins Gegenteil verkehrt. Ich will niemanden quälen, das Leben da draußen ist für viele Qual genug. Darüber schreibe ich, über die Schattenseiten, über das Anderssein aber auch über Hoffnung und Möglichkeiten, den Selbsthass zu überwinden und die dunkle Seite in sich zu akzeptieren.
Pat: Hast du eine Lieblingsstelle im Buch? Meine ist:
Der Regen wurde stärker. Die Tropfen hämmerten wie Kristalle auf ihre Haut.
Egal.
Die tosenden Fluten empfingen sie mit eisigen Klauen. Gischt schäumte an ihren Beinen empor. Pat lief weiter … hinein in das wogende Meer, hinein ins Wasser, das sie reinwaschen oder ihr den Tod bringen würde.
FREIHEIT!
Nichts war mehr wichtig, als ihr Körper untertauchte. Flach lag sie auf dem Bauch, spürte den Meeresboden unter sich. Inseln aus Tang umkreisten sie wie Satelliten.
Hier war sie der Mittelpunkt ihres Seins.
Hier musste sie keine Rücksicht nehmen, sich nicht zusammenreißen, keine Show spielen.
Hier, in den eisigen Fluten der Ostsee, war sie weder Pat noch Triz. Namen waren nicht wichtig. Nicht hier! Das einzige, was jetzt zählte, war sie.
Endlich!
Kein Gestern. Kein Heute. Kein Morgen.
Schwerelos!
Pat: Wie viel echte Mari steckt eigentlich in dem Buch oder in dem ein oder anderen Charakter?
Mari: Wie immer viel. Auch wenn die Geschichten in meinen Büchern vielfältig sind, ich in diversen Genres schreibe, so eint sie doch stets etwas: das Anderssein. Denn auch ich fühlte mich mein Leben lang anders, nicht dazugehörig. Vielleicht liegt es daran, dass ich Linkshänderin bin. Ich sehe die Dinge aus einer anderen Perspektive, was bisweilen verwirrend ist. Und ich mag keinen Mainstream, wollte nie so sein wie andere, obwohl in mir immer auch die Sehnsucht nach Normalität schlummerte – ohne all die verrückten Wahrheiten in meinem Kopf. Aber das klappte nicht, deshalb nutze ich seit 2014 das Schreiben als Ventil, erzähle Geschichten über Menschen, die jene Sehnsucht mit mir teilen. Ob nun mit Psycho-PAT oder meiner LYRA in MondZauber, meiner ROSE oder aber aktuell meiner MissVerständnis. Auch sie kämpft – ähnlich wie Pat – mit einer Persönlichkeitsstörung. Allerdings schreibe ich auch hier nicht über die Krankheit, schließlich bin ich kein Therapeut, sondern nutze sie als Metapher: Borderline – eine Geschichte über Grenzen, die überwunden werden wollen.
Claudia: Patrizia, unter uns, wie würdest du als Protagonistin deine Autorin beschreiben? 
Pat: Mari ist ein Querkopf, eine Frau, die für ihre Ideale kämpft, für ihre Ziele brennt. Sie liebt die Freiheit über alles, hasst Routine und jegliche Form der Wiederholung. Sie hat mir verraten, dass sie als Kind fünf verschiedene Schulwege hatte, weil ihr einer zu langweilig war.
Claudia: Wann kam die Idee zum Titel? Stand der schon im Vorfeld fest oder hat er sich im Laufe des Schreibprozesses verändert? Hattest du, Patrizia, vielleicht sogar Mitspracherecht? 
Mari: Der Titel stand, bevor ich auch nur eine Zeile geschrieben hatte. Ich war in Dänemark – genau wie PAT im Buch. In einem Ferienhaus genoss ich das Alleinsein und las unter anderem »BPP Blue« von J.M. Cornerman. Eine Liebesgeschichte, also absolut nicht mein Genre. Ein paar Wochen zuvor hatte ich Jay während der Leipziger Buchmesse kennengelernt. Wir mochten uns auf Anhieb überhaupt nicht, was an mir lag. Denn ich habe so meine Schwierigkeiten mit Menschen im Allgemeinen und Frauen im Besonderen. Doch die liebe Frau Cornerman faszinierte mich und half mir, meine Vorurteile über Bord zu werfen. Und so wollte ich etwas von ihr lesen, entschied mich für die Geschichte der Sängerin einer bekannten Frauenrockband. Blue heißt Pat. Während des Lesens sinnierte ich darüber, dass auch ich eine Liebesgeschichte schreiben könnte – nur mit weniger Glitzer und mehr Schatten. Die Psychologie ist ein Steckenpferd von mir. Und so fügte sich der Name Pat wie von selbst zu dieser Alliteration und dem durchaus gewollten Wortspiel: Psycho-Pat.
Pat: Mari, lass uns über das Cover reden. Sind wir zu 100% mit dem Cover zufrieden oder hätten wir nachträglich noch etwas ändern sollen?
Mari: Cover sind für mich der Horror schlechthin – neben dem Klappentext. Ich weiß, es geht vielen Autoren so. Ich habe etwa zwölftausend Ideen und muss diese auf genau eine reduzieren, was ein Kraftakt ist. Mit der Schrift bin ich immer noch nicht wirklich glücklich, aber als ich das Coverbild fand, war ich sofort davon überzeugt, dass genau SO meine Pat aussieht.
Claudia: Wisst ihr, was mich noch interessieren würde? Euer jeweiliges Lieblingszitat aus dem Buch. 
Es war so still.

Sie fummelte an ihrem digitalen Walkman, klickte durch die Musikdateien und fand das Album Body Talk der schwedischen Sängerin Robyn. Pat stellte die Lautstärke auf Anschlag und wippte zu den Beats des ersten Titels Dancing on My Own.
Und Pat tanzte. Sie ließ es krachen. Davon verstand sie etwas. Sie tanzte durch das Wohnzimmer ihres Ferienhauses. Schaltete das Licht aus. Sie brauchte es nicht. Denn plötzlich war Pat in einer anderen Welt.
Ihrer Welt.
Glanz und Gloria.
Sie tanzte. Spürte die Scheinwerfer auf ihrer Haut.
Sie tanzte. Fühlte die Wärme in ihrem Körper.
Sie tanzte. Und vergaß die Dunkelheit.
Sie tanzte.
Tanzte für sich allein.
Claudia: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Hörbuch ist derzeit bei Audible im Angebot für nur 2,95 EUR.

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