[Wir
sitzen hier gemütlich auf der Terrasse des Atchafalaya Rose in der Gegend von
Butte la Rose. Bei mit befinden sich Mason Astley, Eric, Nina, die Familie
Lafayette und M.H.Steinmetz. Die Abendsonne funkelt auf dem Atchafalaya River.]
Hallo
und herzlich willkommen zum Interview. Ich freue mich wirklich sehr, dass du,
lieber Mario, Zeit hattest zum Interview vorbeizukommen.
Mario (legt die Speisekarte zur Seite, setzt die
Sonnenbrille ab und lächelt): War nicht gerade einfach
mit der langen Anreise. Aber wieder hier zu sein, weckt alte Erinnerungen an
schwüle Sommertage in Butte la Rose. Erinnerungen, die mich dazu inspiriert
haben, eine Geschichte zu schreiben. Und ich werde wieder das hervorragende
Gumbo essen … Ehrlich, Sie sollten es auch probieren!
Wie
ich sehe, hast du auch einige deiner Protagonisten mitgebracht. Willst du sie
uns nicht vorstellen? Oder besser stellt euch selbst vor mit drei Worten.
Die Bedienung, eine große,
attraktive Frau, tritt derweil an den Tisch, um die Bestellungen aufzunehmen.
Mario (lacht und nippt an
seinem JD mit Eis): Das überlasse ich
meinen Freunden lieber selbst. (blickt die Bedienung an) Ich nehme das Gumbo und einen Jack Daniels mit viel Eis.
Eric (zwinkert Nina zu): Ich komme eigentlich
aus Deutschland und arbeite mit Nina's Firma zusammen an einem großen Projekt
als Ingenieur. Für mich bitte ebenfalls
das Gumbo und'n Root Beer.
Nina: Im übertragenen Sinn bin ich Erics Vorgesetzte (kichert). Nicht einfach für eine Frau. Ich mag vielleicht dünn sein und
nicht besonders groß, aber ich habe verdammt spitze Ellbogen … Gumbo, der alten
Zeiten willen. Und einen Eistee.
Mason: Ich arbeite als Reporter bei einer namhaften
Tageszeitung. Das ist es, was ich tue. Mit Leib und Seele. (Er kramt sich umständlich eine Zigarette aus einer zerdrückten
Packung und sieht in die Runde) Ja, ich weiß, verdammt, sollte es mir abgewöhnen … für mich
bitte nen Kaffee, mehr brauch ich nicht.
Poebe Lafayette: Wir Lafayettes leben schon seit Generationen in
diesem Land. Es ist archaisch, in den Sümpfen zu leben, es ist hart, aber
zugleich auch wunderschön. Hier wirst du zu einem Teil der Natur, kannst Mutter
Erde nah sein. Wir sehen uns als Bewahrer der Wälder, deswegen sind wir hier.
Ich denke, mein Mann Chander und meine Tocher Yuna sind da einer Meinung mit
mir (zustimmendes Nicken der Beiden) … einen Salat,
Süße …
Yuna: Gumbo und … hm … ein kaltes Alligator Beer.
Chander (lächelt): Steak, blutig …
und diesen trockenen, französischen Rotwein bitte.
Interessant, was man da so
alles erfährt.
Lafayette? Moment, dieser Name
sagt mir doch etwas! Mario, warum hast du ausgerechnet dieses Adelsgeschlecht
gewählt?
Mario: Ich bin das
erste Mal auf den Namen aufmerksam geworden, als ich in Louisiana unterwegs war
und an der Stadt Lafayette vorbei kam. Louisiana ist französisch geprägt.
Besiedelt wurde es durch die Arkadians, das waren französische Einwanderer, die
in Kanada ihr Glück versuchten, dort scheiterten und dann nach Louisiana
gingen. Dort wurde der Marquis de Lafayette zu einer Schlüsselfigur. Er war
schon früh ein glühender Verfechter der Freiheit aller Menschen. Selbst adlig,
kämpfte er dennoch auf Seiten der Liberté während der französischen Revolution.
Als diese sich radikalisierte, ging er nach Amerika und schloss sich Washington
an. Ich könnte viele Seiten mit dieser faszinierenden Persönlichkeit füllen.
Und warum lässt sich ein
Marquis de Lafayette ausgerechnet hier im Nirgendwo nieder?
Chander (räuspert sich, sieht kurz zu
seiner Frau, die ihm aufmunternd zunickt): Das erzähle ich am besten selbst.
Wir haben für Washington unser Blut im Krieg gegen die Engländer gegeben und
ihm zum Sieg verholfen. Als Amerika unabhängig war, zeigte er seine Dankbarkeit
mit der Überschreibung dieses Stück Lands an meine Familie. Es war Ehre und
Herausforderung zugleich, denn Louisiana war zu dieser Zeit ein sehr wildes,
ursprüngliches Land. Also bauten wir das Fort und begannen mit der Ansiedlung
von Familien, die sich dieser Herausforderung stellten.
Poebe (spielt mit einer langen,
kastanienbraunen Strähne): Ich wusste sofort, dass dieses Land etwas Besonderes ist. Es
hat mich und Chander zusammengeführt und uns gelehrt, im Einklang mit der Natur
zu leben. Mit allem, was die Sümpfe zu bieten haben. Das war nicht immer einfach
und wir mussten sogar für viele Jahre unserem Land den Rücken kehren, aber
letztendlich konnte sich immer das starke Blut der Familie durchsetzen.
Chander: Gegen alle Neider … (nickt und nippt
an seinem Rotwein)
Neider?
Also war doch nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen?
Chander: Anfangs war es eine harte Zeit, bis sich alles
gefestigt hatte. Zwischen den Familienclans wurde viel Blut vergossen. Sie
kennen das bestimmt, Auge und Auge, Zahn um Zahn und Blut für Blut. Deswegen
mussten wir nach Frankreich fliehen. Dort lernten wir, dass man durch Weglaufen
keine Probleme aus der Welt schaffen kann. Also gingen wir wieder nach
Atchafalaya zurück und stellten uns unserem erbittertsten Feind.
Nun zu euch Mason, Eric und
Nina, was führt euch in diese verlassene Gegend?
Die Bedienung stellt die Teller auf den Tisch
...
Eric (zwinkert Nina zu): Wow, das Gumbo
sieht ja noch besser aus, als das letzte Mal. Lasst es euch schmecken … Und
wenn ich den Anfang machen darf. Wir sind hier, weil wir das sagenhafte Gumbo im
Atchafalaya Rose genießen wollen. Also Nina und ich. Und … (er räuspert sich verlegen) … um uns besser kennenzulernen. Dann
hatte ich die dumme Idee, den Sumpf zu erkunden ...
Nina (nimmt sich Besteck und zieht den
Teller zu sich heran): Hätte es nicht besser ausdrücken können. Allerdings bin ich bei
solchen Abenteuern immer recht skeptisch, denn man weiß ja nie, was einen in
den Sümpfen erwartet. Da gibt es ne Menge Geschichten. Und was Erics Sumpftour
betrifft, nun, die hat uns am Ende zu dem gemacht, was wir heute sind ...
Mason (schüttet sich ne Menge Zucker
in den Kaffee, rührt um): Ist bei mir ne rein berufliche Sache, denn wer will schon
freiwillig in diese verdammten, moskitovereuchten Sümpfe. Ich will groß
rauskommen, die Story meines Lebens abliefern. Da kommen mir diese Hillbillys
in den Wäldern gerade recht. (zögert, nippt an seinem Kaffee
und denkt einige Sekunden nach) …
Um das Interview nicht zu lange
werden zu lassen, habe ich noch eine Frage. Was ist bitte ein Rougarou und
warum haben sogar die Chitimacha-Indianer davor Angst?
Yuna (isst, während sie erzählt): Dazu muss ich
jetzt mal was sagen, einfach, weil ich mich schuldig an ihrem Niedergang fühle.
Die Chitimacha bewohnen schon seit Urzeiten das Mississippi Delta. Wir
Lafayettes sind ja im Herzen Franzosen und die waren nicht immer nett zu den
Ureinwohnern. (schiebt ihren Teller beiseite,
trinkt und nickt anerkennend) Wow, das war wirklich lecker … Also, wo war ich gleich. Ach ja
...Erst das Blut hat uns zusammengeführt. Von ihnen erfuhren wir von der Sage
um den Rougarou. Er lebt die meiste Zeit unauffällig unter uns, geht seinen
Tätigkeiten nach wie normale Menschen auch. Doch wenn der Vollmond am Himmel
steht, zieht ihn das Blut in die Wälder, wo er sich in ein Monster verwandelt,
halb Mensch, halb Wolf. Dann sucht er sich die arglosen Wanderer, um ihnen das
Fleisch von den Knochen zu nagen. Das ist aber noch nicht alles. Wenn du
gebissen wirst, bleiben dir 101 Tage Zeit, um den Fluch zu lösen. Gelingt dir
das nicht, wirst du beim nächsten Vollmond zum Rougarou.
Also
ist der Rougarou so etwas wie ein Werwolf?
Yuna: Du meinst, wie der Loup Garou in Frankreich? Für euch mag
das so sein. Für uns verkörpert er die Seele Louisianas. Und das Herz.
Mindestens … Durch ihn erfuhren wir, was es bedeutet, hier zu leben. Ich …
Poebe (legt ihrer Tochter eine Hand
auf den Arm): Es reicht, Yuna. Ich möchte nicht, dass du dich in Rage
redest, denn du weißt was dann geschieht, nicht wahr?
Yuna: Aber Mum, es ist die Botschaft des Blutes. Wir müssen sie
in die Welt …
Chander (wischt sich den Mund ab): Hör auf deine
Mutter. Wir haben schon zu viel gesagt. Das sind die Geschichten für die
Menschen aus der Stadt.
Nina: Ich kann da ein anderes Lied von singen. Und, wenn du
erlaubst, ich lebe in ner verdammt großen Stadt. Aber mal ne andere Frage.
Dauert das hier noch lange, denn ich habe nen tierischen Hunger.
Und nun zur letzten Frage: Was
wünscht ihr euch vom weiteren Leben? Welche Ziele und Wünsche habt ihr?
Chander: Die Zukunft unserer Familie liegt in den Händen unseres
Sohnes Jaro. An ihm liegt es, unser Blut zu erhalten. Und die passende Frau
dazu hat er auch schon gefunden, ein ganz außergewöhnliches Mädchen. (Sein ernster Blick mustert die
Anwesenden reihum)
Nina: Eric und ich, nun, ich könnte mir gut vorstellen, dass es was
werden könnte. Jedenfalls leben wir jetzt in Baton Rouge. Was wir in den
Sümpfen erlebt haben, hat uns auf ewig verbunden. Eric meint, wir sollten nach
Europa gehen. (Sie lehnt sich mit verträumtem
Blick zurück und sieht zum River, den Bäumen am gegenüberliegenden Ufer)
Eric (grubbelt nervös am Etikett
seiner Root Beer Flasche): Ja, einfach, um Abstand zwischen uns und Butte la Rose zu
bringen. Wegen dem, was dort vorgefallen ist.
Mason: Ich wünsche mir inzwischen gar nichts mehr (lacht) …
Mario: Na ja, in
meinem Kopf gibt es noch so viele Geschichten, die ich schreiben muss. Deswegen
wünsche ich mir jede Menge Zeit und (lacht) einen geneigten Verleger. (lächelt und denkt einen Augenblick nach) Und irgendwann ist meine Tochter alt genug, um
sich an nem gemütlichen Abend meinen geistigen Abenteuern zu widmen. Ich bin
mir sicher, sie wird ne Menge von mir selbst zwischen den Zeilen herauslesen
können.
Herzlichen
Dank für dieses sehr interessante Interview!
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