Donnerstag, 1. Oktober 2020

[Schnipseltime] Der Abgerichtete von Maxi Magga

 


Da war es passiert. Nummer Fünf hielt den Atem an. Nexor baute sich ganz dicht vor Ferine auf und zischte:
„Mensch? Wen meinst du damit? Wir haben hier ein bisschen Spaß. Das ist unser gutes Recht. Oder siehst du das etwa anders? Willst du hier den Moralapostel spielen, oder was? Pass bloß auf, Mädchen, was du sagst!“
Ferine wich zurück, soweit es ihr möglich war, und starrte den Koch sprachlos an.
„Hier ist die Kartoffel. Und jetzt wirfst du. Verstanden? Tu dir selbst einen Gefallen und triff gut.“
Zum ersten Mal hatte Ferine richtige Angst vor Nexor. Mechanisch nahm sie die Kartoffel aus seiner Hand und sah Nummer Fünf an. Er konnte nur mit einem winzigen Nicken versuchen ihr zu helfen, ihr zu sagen, dass es sich nicht lohnte, Widerstand zu leisten. Dass er es aushalten konnte. Aber Ferine war viel zu aufgebracht, um das
geringe Signal wahrzunehmen. Durch einen Schleier aus Angst und Scham hindurch legte sie die Frucht zurück auf den Tisch. Dann räusperte sie sich, um ihre Stimme stärker klingen zu lassen, als sie sich fühlte, sah Nummer Fünf an und sagte leise:
„Nein. Ich tu’s nicht. Es ist nicht richtig.“
Der Koch hob die Hand. Sekundenbruchteile bevor er ihr die Ohrfeige geben konnte, rief Deris aus dem Hintergrund:
„Er hat sich bewegt! Nexor, dieser Mistkerl hat sich
bewegt, gegen deinen ausdrücklichen Befehl!“
Der Koch wirbelte herum. Aus schmalen Augenschlitzen musterte er Nummer Fünf, der noch immer verloren auf dem Stuhl stand. Den kleinen Augenblick der Ruhe vor dem unvermeidlichen Sturm nutzend, rief Ferine besorgt:
„Das stimmt doch nicht. Ich hab die ganze Zeit in die Richtung gesehen. Er hat nichts gemacht! Keinen Finger hat er bewegt.“
Wieder drehte der Koch sich um, überlegte kurz und gab dann seine Entscheidung bekannt.
„Ich denke, hier gibt es zwei, die eine Lektion brauchen. Was meint ihr?“
Nummer Fünf hielt es fast nicht mehr an seinem Platz. Wenn ihm nur irgendetwas einfallen wollte, um ihr zu
helfen! Er hätte alles riskiert.
Nexor fragte scheinbar ruhig nach: „So, Schätzchen, du bist also sicher, dass der da sich nicht bewegt hat, ja? Dass er meinem Befehl nicht ungehorsam war. Richtig?“
Ferine nickte nur.
„Dann wird es ihm doch bestimmt eine Freude sein, dir zuzustimmen. Oder was meinst du?“
Ferine nickte wieder.
„Also gut, versuchen wir unser Glück.“
Nexor wandte sich an den Abgerichteten.
„Die hier sagt, du hast dich nicht bewegt. Stimmt das?“
Nummer Fünf wusste, worauf es hinauslaufen sollte. Sein Puls raste.
„Ja, Master.“
„Master Deris und ich sagen aber, du hast es doch getan. Wer sagt denn nun die Wahrheit?“
Nummer Fünf schloss kurz die Augen. Seine Kiefer mahlten. Er saß ausweglos in der Falle.
„Sie, Master.“

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