Teammeeting
mit Alexander Merahwi, Julian Melnik, Jan Kaminski, Dragon Radic, Bernd Novak, Stella Fuchs und Phil Miller
Gerade erst
am Montag war ich an derselben Stelle und drückte ebenfalls auf den
Klingelknopf. Heute bin ich wieder hier, auf persönliche Einladung von Herrn
Merahwi, ich solle mir einmal seine Art der Arbeit ansehen und seinem Team über die Schulter
blicken. Bei einer solchen Möglichkeit konnte ich nicht nein sagen. Gleich nach dem Summer
betrete ich wieder das Vorzimmer. Diesmal muss ich mich gar nicht anmelden,
denn Julian sitzt ebenfalls am Empfang.
"Heute sind wir im
Konferenzraum, da ist nämlich mehr Platz als im Büro vom Hai."
Am
Besprechungstisch in Merahwis Büro standen zwar auch sechs Stühle, aber der im
Konferenzzimmer ist um einiges größer. Hier passen zwölf Personen bequem hin,
obwohl wir nur zu acht sind, das Team ist bereits vollständig versammelt.
Merahwi begrüßt mich und nimmt an der Stirnseite Platz. Ich will mich an die
andere Schmalseite setzen, aber Julian schiebt seine Unterlagen zusammen und
klopft auf den Platz neben sich.
"Hier ist es besser, wegen dem
Beamer."
Merahwi
stellt erst mich und dann reihum alle anderen vor, mit der Tätigkeit, die sie
innehaben. Langsam dämmert mir, warum Julian am Montag von einem Spionage-Roman
gesprochen hat.
Ich staune
nicht schlecht, wie gut Alexander Merahwi seine streitenden und wissbegierigen
Schäfchen im Griff hat. Als jeder seine Aufgabe erhalten hat, bitte ich doch
noch die eine oder andere Frage stellen zu dürfen.
Ich bin sprachlos, wie gut Sie aufeinander eingespielt sind.
Doch kommt mir nach diesem Meeting doch immer mehr der Gedanke an James Bond.
Sind Sie schon mal in gefährliche, ausweglose Situationen geraten?
Prompt
kichert Jan Kaminski drauf los. "Könnt ihr euch
noch daran erinnern, wie ich mich zu Übungszwecken in den Server der NSA
gehackt habe? Und auf einmal sämtliche Alarmsignale losgegangen sind? Ich hab mir die Finger wund gehämmert, um
meine Spuren zu verwischen!"
"Oh ja, und wir holten Stella aus ihrer
Karatestunde!" Phil hält
sich den Bauch vor Lachen. "Da hat sogar Dana die
Nerven geschmissen, weil sie dich nicht erreichen konnte."
Dragan
bläst seinen überlangen Pony zur Seite und starrt an mir und Julian vorbei Jan
an, als hätte der gerade den Oscar gewonnen. "Du
warst echt im Server von der NSA?"
Stella
hingegen macht auf cool: "Und
während ihr Muffensausen kriegt und ich mit hängender Zunge im Büro ankomme,
führt der Chef die Amis seelenruhig durchs obere Stockwerk und lässt sie die
Computer auseinander nehmen."
"Selbstverständlich erst
nachdem Herr Kaminski die heiklen Server abgetrennt hat. Genau für solche
Situationen haben wir einen mit unproblematischen Daten in diesem Stockwerk
stehen", erläutert
Merahwi.
"Und während die Amis auf Stasi machen, hält er
ihnen eine Vorlesung über Datenschutzgesetze, als ob die Daten auf diesem
Server nicht ohnehin alle gefaket wären."
"Wir können nicht zulassen,
dass Daten unserer Klienten in fremde Hände fallen. Schon gar nicht in die
eines Geheimdienstes."
Julians Augen
glänzen ehrfürchtig. "Wie
habt ihr es geschafft, dass sie das untere Stockwerk nicht entdecken?"
"Ganz einfach." Bernd Novak spricht nicht viel, aber wenn er
den Mund aufmacht, tut er das mit dem Selbstbewusstsein des
Wirtschaftsuni-Absolventen. "Das läuft offiziell auf
ein anderes Unternehmen. Da habe ich drei Strohfirmen
dazwischengeschaltet."
Wie weit würden Sie alle gehen, um ein Kunstwerk zu finden, was
scheinbar verloren scheint?
"Sollen wir das jetzt wirklich sagen?" Jan sieht zweifelnd zu Merahwi. Als der
zustimmend nickt, erklärt er jedoch freimütig:
"Das Hacken ist der lustigste Teil an dem Job. Es macht tierisch Spaß, die
Oberschlaumeier auszutricksen, die ihre Systeme für ach so sicher halten."
"Stimmt",
brummt es links von mir, ausnahmsweise mal ohne multimediale Aufbereitung.
"Wenn die Datenschützer spitz kriegen, wo ich überall Bildmaterial
herhole, kriegen sie nicht einen Herzinfarkt, sondern zehn."
"Die Devise heißt, nicht erwischen
lassen", bestätigt
auch Phil. Hätte ich nicht bereits das Buch gelesen, hätte ich keinen blassen
Schimmer, welche Gesetze er bricht, so unschuldig schaut er mich mit seinem
Dackelblick an. Bernd nickt gewichtig und fährt dabei unbewusst mit dem
Kugelschreiber die Zahlenkolonnen entlang, die sein Handout ausfüllen.
"Ich bin zu allem bereit, außer
einem Mord. Obwohl es mich bei machen Typen schon in den Fingern juckt."
"Bei manchen? Sag uns lieber, bei wem nicht,
Stella."
"Klappe, Einstein!"
"Das würde dir so passen."
"Ihr Schreibtischhelden könnt
auch nur blöd reden!"
"Ist die immer so?", will ich von Julian wissen.
"Fast immer. Gefreite Fuchs,
Direktimport aus dem Dschungelcamp",
flüstert er zurück.
"Was gibt es jetzt wieder zu
meckern, Doc?"
"Gar nichts."
Merahwi gibt mir ein Zeichen.
"Ihre nächste Frage, bitte."
Oh je, die
ist doch erst recht Sprengstoff! Ich druckse ein wenig herum, dann stelle ich
sie doch:
Würden Sie, wenn es dem Auftrag zuträglich ist, jemanden aus der
Gruppe oder den Auftraggeber opfern, um ans Ziel zu kommen?
"Nein", kommt es wie aus der Pistole geschossen.
"Nein???" Alle
Jungs mit Ausnahme von Merahwi sehen Stella an, als wäre sie ein Alien.
"Glaubt ihr, ich lass euch
Schlappschwänze hängen?"
"Niemand wird aufgegeben", erklärt auch Merahwi.
"Kein Auftrag kann wichtiger sein als jeder
Einzelne in diesem Team."
"Wir sind eine total liebevolle Familie.
Schräg, aber liebevoll, nicht wahr, Herzchen?" Jan
grinst Stella an, und die wirft ihm einen Blick zu, der mich eher an Brudermord
denken lässt als an eine Kuschelgang.
Lieben Sie alle Kunst oder eher die Aufregung hier immer
scheinbar Aktion zu haben?
"Kunst ist was für unseren
Picasso." Stella gibt
Phil einen Ellbogencheck. "Und
für den Hai. Sorry, Chef." Merahwi
winkt beruhigend ab, anscheinend kann er mit seinem Spitznamen gut leben.
"Ich bin wegen der Action dabei. Ein
Schreibtischjob wäre nichts für mich."
"Worauf wir nie im Leben gekommen wären,
Herzchen."
"Ich könnte auf die Action gut
verzichten", gesteht
Julian. "Mir ist die in Spionagethrillern
lieber."
"Deswegen hängst du auch in Bibliotheken
rum, Doc, und ich kümmere mich ums Grobe."
Ich frage
Stella jetzt lieber nicht, was das Grobe ist, bevor ich auch noch in ihre
Schusslinie gerate.
Wie schmutzig könnte Ihr aktueller Fall werden? Gibt es schon
Tendenzen?
"Je sauberer sie aussehen, desto schmutziger
sind sie meistens", meldet
sich Bernd zu Wort. Diese Aussage hätte ich eher von Stella als vom
Finanzexperten erwartet, aber schon schlägt sie in dieselbe Kerbe:
"Richtig dreckig sind die, die
eine Krawatte tragen. Die haben keine Skrupel."
Julian
kritzelt gedankenverloren Haie auf seinen Block, er ist sich wahrscheinlich
nicht einmal bewusst, dass auch er einen Schlips um den Hals hat. Bernd
übrigens auch. Was sagt das jetzt über das Team aus?
Merahwi hat
meinen nachdenklichen Blick bemerkt und schmunzelt mich hintergründig an.
"Im Endeffekt will jeder gewinnen. Wie
schmutzig es wird, lesen Sie nächstes Jahr."
"Sie haben
unterschrieben?" Julian
hält es nicht mehr auf dem Stuhl. "Der Vertrag mit B.D. Winter ist ausverhandelt, wir
bekommen ein zweites Buch?"
"So ist es, Julian. An die
Arbeit, Herrschaften. Wir haben einen Fall zu lösen."
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