Montag, 13. November 2017

[Blogtourbeitrag Tag 1] Tanz der Ikonen von B. D. Winter


Buchvorstellung einmal anders
mit Julian Melnik und Alexander Merahwi

Ich stehe vor der Türe von Merahwi & Martin, nervös sehe ich noch einmal an mir hinunter, bevor ich den Klingelknopf drücke und in die Kamera blicke, damit mich jemand hinein lässt. Kurz darauf höre ich auch schon den Summer, der mich zu meinen Interviewpartnern bringen wird.
An der Anmeldung treffe ich Sylvie, welcher ich sage: „Ich habe einen Termin mit Herrn Merahwi und Julian Melnik, wegen des Buches, welches vor kurzem erschienen ist.“
Mein Gegenüber greift zum Telefon und kurz darauf hört man schon Stöckelschuhe, welche in unsere Richtung kommen. Mit einem höflichen aber kurzen „Grüß Gott, Frau Stadler. Folgen Sie mir bitte“ dreht sie sich um und ich habe Mühe ihr trotz ihrer 12 cm hohen Absätze folgen zu können. Sie geht durch ihr eigenes Zimmer und öffnet mir die Tür zu einem großen Büro. Ein attraktiver, südländisch aussehender Mann um die 40 kommt mir entgegen, ein deutlich jüngerer steht ebenfalls auf, um mich zu begrüßen.
Ich nehme auf einer modernen Sitzlandschaft Platz, der Ausblick über den Burggarten ist überwältigend. Nachdem Merahwis Sekretärin uns Kaffee serviert hat, Merahwi gerade das dritte Säckchen Zucker in seinen Cappuccino streut, während Julian seinen Espresso schon zur Hälfte ausgetrunken hat, beginne ich mit dem Interview.

Herzlichen Dank, dass Sie beide mich heute empfangen, um über das Buch „Tanz der Ikonen“ von B.D.Winter zu sprechen.

Herr Merahwi, wie würden Sie das Buch in max. 5 Sätzen beschreiben?
Das Buch schildert auf sehr spannende Weise unsere Bemühungen, eine geschmuggelte Ikone wiederzubeschaffen. Unser Auftraggeber wurde zum Schmuggel erpresst, hatte sie aber irrtümlich an die falschen Leute übergeben. Um seine Karriere zu retten sind wir gezwungen, ungewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen.

Sie schauen so komisch, Herr Melnik, würden Sie das Buch anders beschreiben?
Ungewöhnlich ist die Untertreibung des Jahrhunderts, ich hab stellenweise geglaubt, dass ich mich in einem Spionageroman befinde. Aber eigentlich ist es eine Liebesgeschichte, meine nämlich.  Denn was Herr Merahwi ausklammert – ja, ich weiß, dass ich über Homosexualität nicht reden soll, aber Tolya steht selbst offen dazu – ist die Tatsache, dass ich mit Tolya, also mit Herrn Yudin, eine Affäre hatte. In einem ziemlich schwulenfeindlichen Klima. (Er wirft einen vorwurfsvollen Blick in Richtung seines Chefs, aber es fällt ihm auch sichtlich schwer, dabei den Kopf nicht zwischen die Schultern zu ziehen.)

Welches ist denn jeweils Ihre Lieblingsstelle in diesem Buch, welche Sie uns unbedingt vorstellen möchten?
Julian: Eindeutig …
(Merahwi sieht Julian warnend an)
Julian: … also meine Drittlieblingsstellen sind die Geplänkel mit Sylvie. Die ist so was von neugierig, was meine Affäre mit Tolya angeht! Und die Mädels von der WG. Und das eine Gespräch mit Ihnen, das, wo Sie mir das mit der Empathie erklärt haben. Wir sind da nämlich genau hier gesessen, und Herr Merahwi hat mir gesagt, wie der Hase läuft. Sie müssen sich das mal vorstellen, Claudia, ich hatte gerade diesen heißen Sex mit Tolya hinter mir, und mein Chef hat mich sofort durchschaut. Ich sage nur Empathie. Ein empathischer Chef kann die Hölle sein, Mann, war das peinlich! Und dann versuchen Sie mal, in so einer Situation ein Arbeitsgespräch zu führen. Das artete in Beziehungsberatung und Anstandsregeln aus.
Merahwi: DAS ist Ihre Lieblingsstelle?
Julian: Drittlieblingsstelle
Merahwi: Ich habe sehr viele. Aber wenn ich mich entscheiden muss, wähle ich die Verhandlungen mit den Russen.

Themen, wie Homosexualität, Ballett, Tanzen, Verhandlungsstrategien und Kunst, stehen sehr im Fokus in diesem Buch, wie stehen Sie zu diesen sehr interessanten Themen?
Merahwi: Ich halte alle Formen des kulturellen Ausdrucks für wichtig. Beim Small Talk unterhalte ich mich lieber über ein kulturelles Ereignis als über Jagden oder Aktienkurse. Außerdem ist Kunstgenuss ein sehr schöner Ausgleich zum oft sehr taktischen, rationalen Verhandeln.
Julian: Wobei Sie ja nicht nur taktisch verhandeln, sondern da auch eine gehörige Portion Emotion im Spiel ist.
Merahwi: Verwechseln Sie Empathie nicht mit Emotion. Sich in jemanden hineinversetzen und zu fühlen, was der braucht, heißt nicht zwangsläufig, sentimental zu sein oder ihm jeden Wunsch zu erfüllen.
Julian: Ich könnte nicht verhandeln, dazu bin ich zu sehr ein Häferl.
Merahwi: Das verstehen die deutschen Leser nicht.
Julian: Ang'rührt, emotional. Ich bin genau das Gegenteil von sachlich oder taktisch. Was wollten Sie gleich noch mal wissen? Ah ja, das Tanzen. Mit Ballett hab ich nie was am Hut gehabt, bevor ich Tolya gekannt hab. Sie, Chef?
Merahwi: Wenig, wobei ich die Musik schön fand, obwohl ich privat lieber etwas anderes höre.  Für mich war der Premierenbesuch vor allem eine gesellschaftliche Verpflichtung und Gelegenheit zur Kontaktpflege.
Julian: Aber ich hab jetzt ein völlig neues Bild vom Ballett. Früher hab ich es für tuntig gehalten, jetzt sehe ich die irre Disziplin und Körperbeherrschung.
(Es ist klar, dass Julian noch etwas anderes sagen will, aber Merahwis Blick ruft ihn sofort zur Räson.)

Lieben Sie die Kunst und das Ballett?
(Jetzt schweift Merahwis Blick über die Bilder, die in seinem Büro hängen, und der Zug um seinen Mund wird weich, sein Blick sogar ein wenig verträumt.)
Merahwi: Ich will mir ein Leben ohne Kunst nicht vorstellen. Sie berührt mich auf eine Weise, wie es der Intellekt nicht kann.
Julian: Mir geht es so mit Literatur. Das Ballett ist ganz nett, aber Bücher brauche ich unbedingt. Erinnern Sie sich an unseren Weg über den Heldenplatz und unser Gespräch? Das fand ich richtig schön.

Wie viel echte B.D. Winter steckt wirklich in diesem Buch oder auch in dem einen oder anderen Charakter?
Julian: Puh, darüber hab ich mir noch nie Gedanken gemacht. In mir sicher mein Studium und auch ein bisschen das Goscherte. Ah so, das war wieder Wienerisch. Das Flapsige meine ich, ein bisschen vorlaut, augenzwinkernd charmant, der Wiener Schmäh halt. Und bei Männern haben wir das gleiche Beuteschema.
Merahwi: Ich erkenne auch das Faible für Kunst und Kultur. Die Anlagen zur Empathie, mit denen sie uns beide ausgestattet hat. Sie hat sicher Verhandlungsgeschick, ist aber viel zu subjektiv und zu emotional für eine harte Verhandlung.
Julian: Und meine Schwäche für Helden hat sie, ganz eindeutig.

Was ist jeweils Ihr persönliches Lieblingszitat im Buch?
Julian: Das Zweitlieblingszitat. Mein Lieblingszitat spoilert. "Ab ins Haifischbecken. Wie hoch war die Überlebenschance einer kleinen Sardine?"
Merahwi: Ich schwanke noch, denn auch meine Lieblingszitate verraten zu viel. Aber die Worte meiner Sekretärin gefallen mir: "Und genau so läuft es, Julian, es ist tabu. Können Sie sich das merken, oder muss ich Ihnen ein Memo schreiben?"

Wie wichtig erscheint Ihnen tatsächlich das Thema Homosexualität und Homophobie in der heutigen Zeit in einem Buch zu beleuchten?
Julian: Sehr wichtig. Man kann gar nicht oft genug darüber reden, sonst ändert sich nie etwas. Bei allen bisherigen Fortschritten, aber wir sind noch lange nicht da, wo wir hingehören.
Merahwi: Überhaupt nicht. Sexualität ist Privatsache und sollte das auch bleiben. Ich kann keinen Sinn darin erkennen, Leute vor den Kopf zu stoßen.

Möchten Sie noch ein Wort über B.D.Winter verlieren und werden Sie sie noch ein weiteres Mal engagieren, um einen Fall für die Leser niederzuschreiben?
Julian: Die Zusammenarbeit war toll, nicht nur mit uns, sondern mit dem ganzen Team. Ich will unbedingt in einem weiteren Roman mitspielen. Nicht wahr, Chef?
(Merahwi sieht Julian in einer Mischung aus nachsichtiger Zuneigung und Belustigung an.)
Merahwi: Wir werden für die Fortsetzung gute Konditionen verhandeln.

Herzlichen Dank für das Interview.

Merahwi bringt mich noch bis zur Tür.
"Hätten Sie Lust, einmal hinter die Kulissen zu blicken und das Team kennenzulernen, Frau Stadler?"
"Sehr gerne, Herr Merahwi. Das ist eine Chance, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen möchte."
"Dann kommen Sie doch einmal zu einem Teammeeting. Dana wird Ihnen den Termin zuschicken."
Er reicht mir zum Abschied die Hand und ich kann verstehen, dass Julian heimlich für ihn schwärmt. Seine Stimme rieselt mir noch in der Erinnerung über den Rücken, und mir ist jetzt schon ganz kribbelig beim Gedanken an das Teammeeting.

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