Buchvorstellung
einmal anders
mit Julian Melnik und Alexander Merahwi
mit Julian Melnik und Alexander Merahwi
Ich stehe
vor der Türe von Merahwi & Martin, nervös sehe ich noch einmal an mir
hinunter, bevor ich den Klingelknopf drücke und in die Kamera blicke, damit
mich jemand hinein lässt. Kurz darauf höre ich auch schon den Summer, der mich
zu meinen Interviewpartnern bringen wird.
An der Anmeldung
treffe ich Sylvie, welcher ich sage: „Ich habe einen Termin mit Herrn Merahwi
und Julian Melnik, wegen des Buches, welches vor kurzem erschienen ist.“
Mein
Gegenüber greift zum Telefon und kurz darauf hört man schon Stöckelschuhe,
welche in unsere Richtung kommen. Mit einem höflichen aber kurzen „Grüß Gott,
Frau Stadler. Folgen Sie mir bitte“ dreht sie sich um und ich habe Mühe ihr
trotz ihrer 12 cm hohen Absätze folgen zu können. Sie geht durch ihr eigenes
Zimmer und öffnet mir die Tür zu einem großen Büro. Ein attraktiver, südländisch
aussehender Mann um die 40 kommt mir entgegen, ein deutlich jüngerer steht ebenfalls
auf, um mich zu begrüßen.
Ich nehme
auf einer modernen Sitzlandschaft Platz, der Ausblick über den Burggarten ist
überwältigend. Nachdem Merahwis Sekretärin uns Kaffee serviert hat, Merahwi
gerade das dritte Säckchen Zucker in seinen Cappuccino streut, während Julian
seinen Espresso schon zur Hälfte ausgetrunken hat, beginne ich mit dem
Interview.
Herzlichen
Dank, dass Sie beide mich heute empfangen, um über das Buch „Tanz der Ikonen“
von B.D.Winter zu sprechen.
Herr
Merahwi, wie würden Sie das Buch in max. 5 Sätzen beschreiben?
Das Buch schildert auf
sehr spannende Weise unsere Bemühungen, eine geschmuggelte Ikone
wiederzubeschaffen. Unser Auftraggeber wurde zum Schmuggel erpresst, hatte sie aber
irrtümlich an die falschen Leute übergeben. Um seine Karriere zu retten sind
wir gezwungen, ungewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen.
Sie
schauen so komisch, Herr Melnik, würden Sie das Buch anders beschreiben?
Ungewöhnlich ist die
Untertreibung des Jahrhunderts, ich hab stellenweise geglaubt, dass ich mich in
einem Spionageroman befinde. Aber eigentlich ist es eine Liebesgeschichte, meine
nämlich. Denn was Herr Merahwi ausklammert
– ja, ich weiß, dass ich über Homosexualität nicht reden soll, aber Tolya steht
selbst offen dazu – ist die Tatsache, dass ich mit Tolya, also mit Herrn Yudin,
eine Affäre hatte. In einem ziemlich schwulenfeindlichen Klima. (Er wirft einen
vorwurfsvollen Blick in Richtung seines Chefs, aber es fällt ihm auch sichtlich
schwer, dabei den Kopf nicht zwischen die Schultern zu ziehen.)
Welches
ist denn jeweils Ihre Lieblingsstelle in diesem Buch, welche Sie uns unbedingt
vorstellen möchten?
Julian: Eindeutig …
(Merahwi sieht Julian warnend an)
Julian: … also meine Drittlieblingsstellen sind
die Geplänkel mit Sylvie. Die ist so was von neugierig, was meine Affäre mit
Tolya angeht! Und die Mädels von der WG. Und das eine Gespräch mit Ihnen, das,
wo Sie mir das mit der Empathie erklärt haben. Wir sind da nämlich genau hier
gesessen, und Herr Merahwi hat mir gesagt, wie der Hase läuft. Sie müssen sich
das mal vorstellen, Claudia, ich hatte gerade diesen heißen Sex mit Tolya
hinter mir, und mein Chef hat mich sofort durchschaut. Ich sage nur Empathie.
Ein empathischer Chef kann die Hölle sein, Mann, war das peinlich! Und dann
versuchen Sie mal, in so einer Situation ein Arbeitsgespräch zu führen. Das
artete in Beziehungsberatung und Anstandsregeln aus.
Merahwi: DAS ist Ihre Lieblingsstelle?
Julian: Drittlieblingsstelle
Merahwi: Ich habe sehr viele. Aber wenn ich mich
entscheiden muss, wähle ich die Verhandlungen mit den Russen.
Themen,
wie Homosexualität, Ballett, Tanzen, Verhandlungsstrategien und Kunst, stehen
sehr im Fokus in diesem Buch, wie stehen Sie zu diesen sehr interessanten
Themen?
Merahwi: Ich halte alle Formen des kulturellen
Ausdrucks für wichtig. Beim Small Talk unterhalte ich mich lieber über ein
kulturelles Ereignis als über Jagden oder Aktienkurse. Außerdem ist Kunstgenuss
ein sehr schöner Ausgleich zum oft sehr taktischen, rationalen Verhandeln.
Julian: Wobei Sie ja nicht nur taktisch
verhandeln, sondern da auch eine gehörige Portion Emotion im Spiel ist.
Merahwi: Verwechseln Sie Empathie nicht mit Emotion.
Sich in jemanden hineinversetzen und zu fühlen, was der braucht, heißt nicht
zwangsläufig, sentimental zu sein oder ihm jeden Wunsch zu erfüllen.
Julian: Ich könnte nicht verhandeln, dazu bin ich
zu sehr ein Häferl.
Merahwi: Das verstehen die deutschen Leser nicht.
Julian: Ang'rührt, emotional. Ich bin genau das
Gegenteil von sachlich oder taktisch. Was wollten Sie gleich noch mal wissen?
Ah ja, das Tanzen. Mit Ballett hab ich nie was am Hut gehabt, bevor ich Tolya
gekannt hab. Sie, Chef?
Merahwi: Wenig, wobei ich die Musik schön fand,
obwohl ich privat lieber etwas anderes höre. Für mich war der Premierenbesuch vor allem
eine gesellschaftliche Verpflichtung und Gelegenheit zur Kontaktpflege.
Julian: Aber ich hab jetzt ein völlig neues Bild
vom Ballett. Früher hab ich es für tuntig gehalten, jetzt sehe ich die irre
Disziplin und Körperbeherrschung.
(Es ist klar, dass Julian noch etwas anderes sagen
will, aber Merahwis Blick ruft ihn sofort zur Räson.)
Lieben
Sie die Kunst und das Ballett?
(Jetzt schweift Merahwis Blick über die Bilder,
die in seinem Büro hängen, und der Zug um seinen Mund wird weich, sein Blick
sogar ein wenig verträumt.)
Merahwi: Ich will mir ein Leben ohne Kunst nicht
vorstellen. Sie berührt mich auf eine Weise, wie es der Intellekt nicht kann.
Julian: Mir geht es so mit Literatur. Das Ballett
ist ganz nett, aber Bücher brauche ich unbedingt. Erinnern Sie sich an unseren
Weg über den Heldenplatz und unser Gespräch? Das fand ich richtig schön.
Wie
viel echte B.D. Winter steckt wirklich in diesem Buch oder auch in dem einen
oder anderen Charakter?
Julian: Puh, darüber hab ich mir noch nie Gedanken
gemacht. In mir sicher mein Studium und auch ein bisschen das Goscherte. Ah so,
das war wieder Wienerisch. Das Flapsige meine ich, ein bisschen vorlaut,
augenzwinkernd charmant, der Wiener Schmäh halt. Und bei Männern haben wir das
gleiche Beuteschema.
Merahwi: Ich erkenne auch das Faible für Kunst und
Kultur. Die Anlagen zur Empathie, mit denen sie uns beide ausgestattet hat. Sie
hat sicher Verhandlungsgeschick, ist aber viel zu subjektiv und zu emotional
für eine harte Verhandlung.
Julian: Und meine Schwäche für Helden hat sie,
ganz eindeutig.
Was
ist jeweils Ihr persönliches Lieblingszitat im Buch?
Julian: Das Zweitlieblingszitat. Mein
Lieblingszitat spoilert. "Ab ins
Haifischbecken. Wie hoch war die Überlebenschance einer kleinen Sardine?"
Merahwi: Ich schwanke noch, denn auch meine Lieblingszitate verraten zu
viel. Aber die Worte meiner Sekretärin gefallen mir: "Und genau so läuft
es, Julian, es ist tabu. Können Sie sich das merken, oder muss ich Ihnen ein
Memo schreiben?"
Wie
wichtig erscheint Ihnen tatsächlich das Thema Homosexualität und Homophobie in
der heutigen Zeit in einem Buch zu beleuchten?
Julian: Sehr wichtig. Man kann gar nicht oft genug
darüber reden, sonst ändert sich nie etwas. Bei allen bisherigen Fortschritten,
aber wir sind noch lange nicht da, wo wir hingehören.
Merahwi: Überhaupt nicht. Sexualität ist
Privatsache und sollte das auch bleiben. Ich kann keinen Sinn darin erkennen,
Leute vor den Kopf zu stoßen.
Möchten
Sie noch ein Wort über B.D.Winter verlieren und werden Sie sie noch ein
weiteres Mal engagieren, um einen Fall für die Leser niederzuschreiben?
Julian: Die Zusammenarbeit war toll, nicht nur mit
uns, sondern mit dem ganzen Team. Ich will unbedingt in einem weiteren Roman
mitspielen. Nicht wahr, Chef?
(Merahwi sieht Julian in einer Mischung aus nachsichtiger
Zuneigung und Belustigung an.)
Merahwi: Wir werden für die Fortsetzung gute
Konditionen verhandeln.
Herzlichen
Dank für das Interview.
Merahwi
bringt mich noch bis zur Tür.
"Hätten
Sie Lust, einmal hinter die Kulissen zu blicken und das Team kennenzulernen,
Frau Stadler?"
"Sehr gerne, Herr Merahwi. Das ist eine Chance, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen möchte."
"Dann
kommen Sie doch einmal zu einem Teammeeting. Dana wird Ihnen den Termin
zuschicken."
Er reicht
mir zum Abschied die Hand und ich kann verstehen, dass Julian heimlich für ihn
schwärmt. Seine Stimme rieselt mir noch in der Erinnerung über den Rücken, und mir
ist jetzt schon ganz kribbelig beim Gedanken an das Teammeeting.
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